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Serbiens Entschuldigung: Auf Knien nach Brüssel

Sein Spitzname ist „grobar“, der Totengräber, und er saß schon einmal wegen Randalierens in Haft. Sein früherer Vorgesetzter, der serbische Ultranationalist Vojislav Seselj, muss sich vor dem Tribunal in Den Haag für Kriegsverbrechen verantworten.

Von Caroline Fetscher

Sein Spitzname ist „grobar“, der Totengräber, und er saß schon einmal wegen Randalierens in Haft. Sein früherer Vorgesetzter, der serbische Ultranationalist Vojislav Seselj, muss sich vor dem Tribunal in Den Haag für Kriegsverbrechen verantworten. Wenig Gutes war zu erwarten vom amtierenden serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic. Jetzt entschuldigt er sich in einem Fernsehinterview für die Ermordung von 8000 bosnisch-muslimischen Jungen und Männern in Srebrenica im Sommer 1995. Was damals in der Diktion serbischer Nationalisten „ethnische Säuberung“ hieß, erkannte der Gerichtshof längst als Genozid. Für viele Landsleute Nikolics galten die Verbrechen gegen Minderheiten während der Zerfallskriege Jugoslawiens als legitime Verteidigung ihres Serbentums.

Ganz anders wirkt der Klang der reuigen Worte, die nun von Nikolic zu hören sind, dessen Land es an die Töpfe der Europäischen Union drängt. Er bitte „auf Knien“ darum, sagt Nikolic, dass Serbien für Srebrenica und andere Verbrechen verziehen werde. Als Genozid, wollte er das Massaker an Zivilisten nicht bezeichnen. Mit diesem Begriff geht Nikolic sonst wenig sparsam um, etwa als er 2012 behauptete, die serbische Minderheit im Norden des Kosovo lebe unter der ständigen „Bedrohung durch einen Genozid“.

Wie dem auch sei, Serbien pirscht sich in Stufen wachsender, zur Schau gestellter Zerknirschung an eine wahrhaftiger tönende Entschuldigung an, die auch in Brüssel Eindruck schinden soll. Leugnen lässt sich das Ausmaß des ärgsten Verbrechens auf europäischem Territorium nach 1945 längst nicht mehr. In Den Haag türmen sich Beweise und abertausende Seiten mit Zeugenaussagen. Jeden Sommer werden in Bosnien Hunderte exhumierter Opfer bestattet. In alle Kontinente zerstreut leben deren Angehörige, die ihre DNA zur Identifizierung der Opfer bereitgestellt haben. Vor wenigen Jahren erschütterte ein Amateurvideo von serbischen Milizionären Serbiens Öffentlichkeit. Darauf sind en Detail Deportationen und Exekutionen jugendlicher Zivilisten festgehalten, orthodoxe Priester sieht man beim Segnen von Waffen und Männern vor diesem Einsatz. So halbherzig die Entschuldigung auch sein mag – der Druck, den Brüssel heute auf die Täter von gestern ausübt, kommt den Generationen von morgen zugute. Er muss sein und er muss bleiben.

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