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Meinung: Sieg der Lippenstift-Ninjas

Japans Premier Koizumi machte es wie Schröder – und dann ganz anders

Seine Partei stand nicht mehr hinter ihm, die Staatsverschuldung stieg und stieg, und als er dann Neuwahlen noch ausrief, schien die politische Karriere von Junichiro Koizumi am Ende.

Einen politischen Selbstmörder nannten sie auch Gerhard Schröder, der kurz zuvor aus ähnlichen Gründen den Weg für Wahlen frei gemacht hatte. Die Parallelität der politischen Lage in Japan und der in Deutschland war erstaunlich: beides Länder, deren beste Zeit vorbei zu sein scheint, nun hoch verschuldet, verkrustet und verwöhnt. War es in Deutschland die Reform der Sozialsysteme, an der Schröder sein Scheitern festmachte, stimmten Koizumis eigene Abgeordnete gegen ihn, als er versuchte, die staatliche Post zu privatisieren. Parallel verlief auch die Reaktion der beiden, sie traten die Flucht nach vorne an.

Diese Parallelität endet nicht erst mit dem gestrigen haushohen Sieg von Koizumi und seiner Liberaldemokratischen Partei LDP, den Schröder am kommenden Sonntag wohl kaum in vergleichbarer Deutlichkeit kopieren wird; sie endete, weil sich beide unter ähnlich schwierigen Umständen für ganz unterschiedliche Identitäten entschieden haben.

Der japanische Premier machte die Frage der Postprivatisierung, die das Schlüsselthema des japanischen Wahlkampfes war, erfolgreich zum Lackmustest für den Reformwillen eines ganzen Volkes. Anders als Schröder, der für vollzogene Reformen wieder gewählt werden möchte, stellte Koizumi der Bevölkerung ausdrücklich mehr Wandel, mehr Veränderung, mehr Radikalität in Aussicht. Dabei schreckte er auch vor seiner eigenen Partei nicht zurück: jener 37 Abgeordneten, die gegen die Postreform gestimmt hatten, entledigte er sich kurzerhand. So kämpfte er, im Namen der Modernisierung Japans, in den vergangenen Wochen gleichermaßen gegen die Opposition wie den konservativen Flügel seiner eigenen LDP. Und konnte so die reformwillige Mehrheit des Landes hinter sich versammeln.

Schröder, der noch im Mai vor allem die ablehnende Haltung seiner eigenen Partei als Grund für Neuwahlen anführte, präsentiert sich nun zunehmend als treuer Sozialdemokrat. Die Chance, wie Koizumi oder auch wie der Brite Tony Blair nicht nur die Partei hinter sich, sondern auch hinter seinen politischen Kurs zu bringen, hat Schröder nicht genutzt. So gibt es jetzt zwar New Labour, eine neue LDP, aber weiterhin nur die SPD, mit der Schröder als Kanzler bereits gescheitert ist.

Der japanische Premier verknüpfte seine Attacke auf die eigene Partei zudem mit einem medial geschickten Schachzug: Er holte bekannte Karrierefrauen als Kandidaten. Mit diesen so genannten „Lippenstift-Ninjas“ (bei Labour hießen sie „Blair-Babes“) gelang es Koizumi, der japanischen Politik ein neues Gesicht zu geben.

Anders wieder Schröder, der mit seinem alten Kabinett in den Wahlkampf zog, anders auch Angela Merkel, die stattdessen mit einem wenig lieblichen „Steuer-Ninja“ an ihrer Seite auftritt. Koizumi hat sich im Wahlkampf, die Gimmicks beiseite, eindeutig positioniert. Er ist so eindrucksvoll wieder gewählt worden. Anders als Schröder?

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