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Meinung: Staatsdiener im Wettbewerb

Die Besoldungsinitiative rüttelt am Status der Beamten

Berlin ist dabei, sich um die Republik verdient zu machen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat mit seiner Absicht, dem Besoldungsrecht mit einer Öffnungsklausel zu Leibe zu rücken, unerwartete Resonanz bei seinen Länderkollegen gefunden. Aus dem Wagnis, in das sich Wowereit gestürzt hat – nicht gerade einem Reform-Impuls, sondern der Not der Berliner Finanzmisere gehorchend – , entwickelt sich ein gemeinsames Projekt des Bundesrats. Es könnte am Ende dazu führen, dass die einheitliche Beamtenbesoldung in der Bundesrepublik in Frage gestellt würde, mithin die Länder einen Spielraum für die Anpassung der Besoldung an ihre eigenen Lage erhielten. Das Bollwerk des öffentlichen Dienstes, an dem notorisch alle Veränderungsabsichten scheitern, also an einer wichtigen Stelle erschüttert würde. Ein Hauch von Revolution liegt in der Luft.

Tatsächlich wäre der Schritt, für den eine Vierer-Gruppe der Länderregierungschefs bereits Vorschläge vorgelegt hat, ein tiefer Einschnitt für den öffentlichen Dienst. Das betrifft die Maßnahmen, die er möglich macht: eine Absenkung der Gehälter bis zu zehn Prozent und den Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld. Es betrifft aber das Prinzip, das er durchbricht. Die Bindung an den großen Geleitzug aller Länder verschaffte der Beamtenschaft doch eine besondere, zusätzliche Qualität: ein weiteres Element der Unabhängigkeit, indem es sie vor eventuellen Sparaktionen ihrer Landesherren schützte – so wie sie die Länder davor bewahrte, dass ihnen andere Länder die guten Beamten abwarben.

Das Abendrot für das Berufsbeamtentum, das manche von der Bundesrats-Initiative befürchten – oder erhoffen –, kündigt diese Öffnung der Tarifverträge allerdings keineswegs an. Sie stellt ja nicht das Beamtenrecht in Frage. Aber sie rüttelt an der Gestalt, in der das Beamtentum ein quasi-selbstverständlicher Teil der Real-Verfassung der Bundesrepublik geworden ist – zumindest in den vergangenen drei Jahrzehnten, die, wie wir mittlerweile begreifen, ihre fetten Jahre waren. Die Pläne bringen Flexibilisierung und Wettbewerb ins Beamtenwesen, das sich gegen beides bisher erfolgreich gewehrt hat.

Wohin das führen wird, ist schwer abzusehen. Durchaus vorstellbar, dass das Bundesrats-Projekt eine Eigendynamik entwickelt, die das gesamte Beamtentum erfasst. Mindestens ebenso denkbar, dass die neue Flexibilität nur die Beamten in den armen Ländern trifft und ein Sog nach Anstellung in den gutbetuchten Ländern oder dem Bund erzeugt. Wie auch immer: Die Tendenz zur Vereinheitlichung, die mit den siebziger Jahren in die Bundesrepublik einzog, wird aufgebrochen – ein Stück weit jedenfalls. Und neue mächtige Tendenzen melden ihren Anspruch an: mehr Föderalismus, größere Eigenverantwortung, stärkere Differenzierung, auch im Staat.

Aus Wowereits Initiative könnte eine Reform werden, die den Namen verdient – gerade, weil sie nicht dem alten Muster von Reformen folgt, dass sie jedem wohl, aber keinem wehe tun soll. Allerdings dürfte dann die Flexibilisierung ihre Wirkung nicht nur in den Ländern entfalten, sondern müsste endlich auch Einzug halten in das Binnenverhältnis der Behörden, also in den Verwaltungskörper und sein inneres Gefüge. Das Instrumentarium, das den Kosten-Abbau ermöglicht, müsste zusammengehen mit der Etablierung von Strukturen, die es erlauben, Leistung durch Beförderung und Zulagen zu honorieren. Sonst wird das Projekt bei den vielen guten Beamten, die sich im Dienst der Sache krumm legen, nicht die Reformbereitschaft fördern, sondern die Resignation. Und speziell in Berlin – worauf der frühere Regierende Bürgermeister Diepgen hingewiesen hat – die Bereitschaft zur Abwanderung.

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