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Meinung: Stoiber wittert den Wind, bevor er weht

Bayerns Regierungschef taktiert klüger als Merkel und Koch

Von Gerd Appenzeller

Oh je, der Edmund mit seiner Wahl, werden sie jetzt in Berlin und Wiesbaden wieder denken. Bringt mit seinem Vorpreschen in Sachen Steuerreform der größten Oppositionsgruppe ihre ganze, mühsam ausgetüftelte Schlachtformation durcheinander. Da hatten sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und die Ministerpräsidenten von CDU und CSU am vergangenen Mittwoch in Frankfurt gerade einmal darauf geeinigt, von der Regierung ein klares Finanzierungskonzept der vorgezogenen Steuerreform zu verlangen, und nun das! Edmund Stoiber, vier Wochen vor der bayerischen Landtagswahl bemüht, wirklich jede mögliche Stimme in seinem Bundesland für die CSU zu gewinnen, knickt offenbar ein. Die Steuerreform müsse in jedem Fall zum 1. Januar 2004 kommen, selbst, wenn Rot-Grün keine solide Finanzierung nachweise, sagt er. In diesem Fall würde die Union im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens eigene Finanzierungsvorschläge machen.

Hat Stoiber, aus lauter Angst, am 21. September weniger als 60 Prozent der Stimmen zu bekommen, nun die Handlungsfähigkeit von CDU und CSU geschmälert? Keine Spur. Natürlich hat er vor allem an die Wahl gedacht. Aber er ist auch einfach ein besserer Taktiker als Angela Merkel oder Roland Koch. Der Bayer weiß, dass die Bürger diese Steuerreform wollen und dass sie es der Union schwer ankreiden würden, käme der Verdacht auf, die Opposition hintertreibe aus schierem parteipolitischen Egoismus eine Entlastung der Bürger. Genau so aber kommt die Argumentation von Merkel, Merz und Koch in der Öffentlichkeit an. Sie stehen als potenzielle Blockierer einer Entlastung da, die sowohl von den Unternehmerverbänden als auch den Gewerkschaften dringend gefordert wird.

Also ist es klüger, sich an die Spitze der politischen Bewegung zu stellen, die Steuererleichterung zu bejahen, dabei Rot-Grün vor sich herzutreiben, indem man immer wieder Sparmaßnahmen fordert – und im Übrigen das Gesetzgebungsverfahren laufen zu lassen. Denn, nicht wahr, Edmund Stoiber hat nicht gesagt, wann die Union mit eigenen Vorschlägen kommen will. „Während des Gesetzgebungsverfahrens“, das ist ein wahrer Kaugummibegriff. Er bietet jede Menge Zeit, die Regierung zu blamieren.

Durch die Zusammenlegung der zweiten und dritten Stufe der Steuerreform werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber um 22 Milliarden Euro entlastet. Das könnte der Konjunktur einen Schub geben, wenn Eichel nicht mit der linken Hand wieder einkassiert, was er zuvor mit der rechten gegeben hat. Das Reformpaket weitgehend über Schulden zu finanzieren, wie es dem Kanzler vorschwebt, wäre aber abenteuerlich. Es bleibt dabei: Die Regierung muss sagen, wo es lang geht. Und Stoiber buht, applaudiert oder hat eigene Ideen. Ganz schön clever.

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