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Meinung: Taler, Taler du sollst wandern

Aufbau Ost: durch Amnestie für Steuersünder

Von Antje Sirleschtov

Gehören Sie zu denen, die schon lange von der Staatsabzocke genug haben? Steuern und Sozialbeiträge ohne Ende auf jeden sauer verdienten Euro gezahlt und dennoch ein Schlagloch neben dem anderen vor der Haustür haben, während sich die da oben die Taschen voll machen? Dann wissen Sie vielleicht, wie man dem Finanzamt ein Schnippchen schlägt. Die eine oder andere Rechnung verschwindet im Mülleimer, weil der Kunde gern den Sonderrabatt für Cash-Bezahlung mitnahm. Und beim Auslandstransfer der Zinsgewinne half ja auch diskret der freundliche Sachbearbeiter am Bankschalter. Ein erkleckliches Sümmchen hat sich so in einem Schweizer Bankfach bestimmt schon angesammelt. Oder haben Sie ihre Finca in Spanien damit bezahlt?

Ob im September Edmund Stoiber oder Gerhard Schröder die Bundestagswahl gewinnt, beide stellen den Steuerhinterziehern nun Entlastung in Aussicht. „Unter bestimmten Bedingungen“ soll straffrei ausgehen, wer sein Schwarzgeld wieder nach Hause holt und dem Fiskus anzeigt. Und es dann, so denken sich das die Sozialdemokraten, in den Aufbau Ost investiert.

Kaum ausgesprochen, spaltet die Steuer-Amnestie Deutschlands Steuerzahler in zwei Lager. Die einen fragen sich, ob das nicht die Gelegenheit wäre, sich steuerehrlich zu machen. Und die anderen zählen insgeheim die vielen Tausender zusammen, die sie Vater Staat in den letzten Jahren prompt und pünktlich bezahlt haben – und grollen ob der Chance für all jene, die sich manchen Urlaub obendrauf geleistet haben und nun fein raus sind.

In der Tat muss sich der deutsche Staat Gedanken darüber machen, wie er den Grundsatz der Steuerpflicht in der Bevölkerung durchsetzt. Denn die wachsende Abgabenlast und das eine oder andere Steuerschlupfloch, das sich vor allem mit zunehmender internationaler Vernetzung der Finanzmärkte auftat, raubt den öffentlichen Kassen Einnahmen, die Bund, Länder und Gemeinden dringend zur Erfüllung ihrer hoheitlichen und gemeinnützigen Aufgaben brauchen.

Seit geraumer Zeit wird deshalb sowohl über Mitteilungspflichten von Banken als auch über pauschale Abgeltungssteuern für Kapitalerträge diskutiert – im nationalen wie auch im europäischen Rahmen. Und nicht zu vergessen: Auch die Ausstattung und Arbeitsweise der Steuerfahnder ist in jüngster Zeit wieder ins engere Blickfeld der Länder gerückt. Denn wenn die Kassen leer sind, dann wird überall zusammengefegt.

Dass eine Amnestie dem Fiskus große Milliardenbeträge ins Haus spült, sollte allerdings niemand erwarten. Denn es bedarf keines einmaligen Aktes der Strafbefreiung, um Versäumnisse der Vergangenheit offen zu legen. Auch ohne Amnestie kann sich jeder, der seine Steuerlast in der Vergangenheit verringert hat, nachträglich beim Finanzamt melden und die Beträge nebst Zinsen zurückzahlen. Strafe droht nur, wer mit einer solchen Selbstanzeige wartet, bis die Fahnder ihm schon auf die Schliche gekommen sind. Und auch die fiskalische Wirkung einer Amnestie ist gering. Kaum mehr als elf Milliarden Euro trugen Steuerflüchtlinge beim letzten Mal Ende der 80er Jahre zurück in die deutschen Finanzämter. Angesichts einer vermuteten Schwarzgeldsumme von 1000 Milliarden Euro im Ausland ein geradezu verschwindender Betrag. Zu viele betreiben den Geldtransfer offenbar so regelmäßig, dass sie fürchten, die Finanzämter könnten ihren geheimen Pfad nun für immer verstopfen. Oder die Renditeaussichten im Ausland wiegen schwer. So schwer, dass das ehrliche Dasein in einer solidarischen Gesellschaft des Leistungsausgleichs keine attraktive Alternative ist.

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