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Tamagotchi: Eine Ampelkoaltion wird es nicht geben

Ein Dreier-Bündnis mit SPD und FDP ist virtueller, als es den Grünen lieb ist. Wie ein Tamagotchi wärmt es das Herz, macht keinen Dreck und wird auch nie Realität werden.

Von Hans Monath

Vor einigen Jahren machte ein virtuelles Küken Karriere. Das elektronische Wesen aus Japan hieß Tamagotchi und verlangte regelmäßig nach Nahrung, Trinken und intensiver Betreuung, ganz wie ein wirkliches Haustier. Wenn der Besitzer sich kümmerte und pflegte, entwickelte das Küken eine Persönlichkeit und wuchs zum Huhn heran.

Jetzt erlebt das seltsame Wesen eine Renaissance, allerdings außerhalb von Kinderzimmern in einem völlig anderen Zusammenhang. Die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen ist das Tamagotchi der deutschen Politik im Wahljahr 2009. Ähnlich wie das japanische Kleinspielzeug wärmt das Projekt des Drei-Parteien-Bündnisses das Herz der (machtpolitisch) Einsamen, macht so gut wie keinen Dreck und wird wohl auch nie zu einem echten Wesen aus Fleisch und Blut heranreifen.

Für die SPD ist die Ampel wichtig, weil sie aus heutiger Sicht die einzig erreichbare Regierungskonstellation bildet, in der sie den Kanzler stellt. Wenn die Sozialdemokraten nicht mit dem Slogan „Steinmeier muss Vizekanzler bleiben“ in die Wahl gehen wollen, müssen sie neben der Fortsetzung der großen Koalition eine für ihre Wahlkämpfer und Wähler attraktivere Option glaubhaft machen.

Die Nöte der SPD sind vielleicht verständlich, ändern aber nichts daran, dass eine ganze Reihe von Gründen gegen die Bildung einer Ampel nach dem 27. September spricht. Denn alle Partner müssten die neue Farbenkombination wollen, die ohnehin nur eine Chance hat, wenn es für ein schwarz-gelbes Bündnis nicht reicht.

Zwar schließen die Liberalen die Ampel nicht kategorisch aus. Aber Guido Westerwelle müsste sich schon nach Verratsvorwürfen sehnen, wenn er mit seiner Sammelpartei der letzten Marktradikalen wirklich einer Regierung zu einer Mehrheit verhelfen wollte, in der dann zwei linke Parteien das Sagen haben. So wichtig die Abrüstung auch sein mag: Als einzig gemeinsames Ziel dreier Kräfte reicht sie nie und nimmer aus, um die Grundlage für eine Koalition zu schaffen.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise verlangt zwar von allen Akteuren der Politik die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Sie ist aber kaum der Zeitpunkt, um eine instabile Koalition zu bilden, die einem Experiment gleichkommt. Der Handlungsspielraum einer Ampel ist ohnehin äußerst gering, da sie im Bundesrat ausgebremst würde.

Womit wir bei den Grünen sind. Die Ampel-Koalition ist gegenwärtig ihre einzig realistische Machtoption, da sie „Jamaika“ mit Union und FDP nicht mitmachen wollen. Aber allein die Aussicht auf eine Zusammenarbeit mit Guido Westerwelle lässt die Basis der Partei gegen ihre voreiligen Spitzenkandidaten rebellieren. Die Grünen zerlegen sich also wegen einer Machtperspektive, die es fast nicht gibt.

Tamagotchis haben übrigens einen Reset-Schalter, der ein neues Kükenleben bringt. Doch den Reset-Schalter für Politik haben auch die Grünen noch nicht erfunden.

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