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Meinung: Trialog: Nur Patrioten können integrieren

Die gut, dass die Nation mit der wiedereröffneten alten Nationalgalerie eine Insel kultureller Selbstvergewisserung hat, meint Antje Vollmer in ihrer Kolumne vom vergangenen Sonntag, bei all dem Stress mit neuer weltpolitischer Verantwortung, bioethischen Debatten und dergleichen mehr. Jetzt kommt auch noch die Debatte um Zuwanderung und Integration hinzu.

Die gut, dass die Nation mit der wiedereröffneten alten Nationalgalerie eine Insel kultureller Selbstvergewisserung hat, meint Antje Vollmer in ihrer Kolumne vom vergangenen Sonntag, bei all dem Stress mit neuer weltpolitischer Verantwortung, bioethischen Debatten und dergleichen mehr. Jetzt kommt auch noch die Debatte um Zuwanderung und Integration hinzu. Und die geht nicht gut ohne Patriotismus.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind einerseits im Innern ein Land von großartiger Offenheit und Toleranz, New York ist geradezu das Symbol dafür. Und andererseits werden die Amerikaner in anderen Teilen der Welt oft als überheblich wahrgenommen. Eine Erklärung für beide Phänomene könnte der amerikanische Patriotismus sein, der nach dem 11. September so eindrucksvoll zu beobachten war. Ganz ungebrochen, selbstbewusst, das Land einend und damit Grundlage für Integration aller getreu der Verheißung des amerikanischen Traums. Was den Amerikanern im eigenen Land so erfolgreich erscheint, lässt sie offenbar gar nicht auf die Frage kommen, ob das auf andere Zivilisationen umstandslos übertragen werden kann. Das ist die Kehrseite vom amerikanischen Selbstbewusstsein und Patriotismus.

In Deutschland können Selbstbewusstsein und Patriotismus nicht ganz so ungebrochen sein. Da stehen die Katastrophen des letzten Jahrhunderts im Wege. Aber am Beginn des neuen Jahrhunderts mit seinen Unwägbarkeiten und dem beschleunigten Wandel kommen wir ohne nicht aus. Eine Ordnung von Freiheit, Pluralismus und Toleranz ist nicht voraussetzungslos. Sie braucht Gemeinsamkeit als Grundlage. Dazu gehört eine Übereinstimmung in Grundwerten und im Menschenbild. Aber dazu braucht es auch das Bewusstsein, zusammenzugehören und zusammen leben zu wollen. Gemeint ist das tägliche Plebiszit, als das Ernest Renan die Nation definiert hat.

In Amerika geht das mit Selbstbewusstsein und Patriotismus. In Deutschland braucht es auch Integration. Ein weltoffenes Land mit einer bunt gemischten Bevölkerung braucht Toleranz und Pluralismus lebensnotwendig. Zuwanderung wird es weiterhin geben, genauso wie Wettbewerb um Talente. Aber bei vier Millionen Arbeitslosen und einer stillen Reserve von weiteren bis zu zwei Millionen sollte der Gesetzgeber nicht den Eindruck erwecken, sich um eine Erhöhung der Zuwanderung zu bemühen. Bereitschaft für Hilfe, Zuflucht und Schutzgewährung bleibt humanitäre Verpflichtung. Im Interesse unseres Verständnisses von Menschenwürde darf daran kein Zweifel sein. Neues und Fremdes ist immer auch Bereicherung. In Mobilität und Offenheit liegt viel Großartiges. Aber das bedeutet dann Austausch, Begegnung, Miteinander.

In voneinander abgeschotteten Teilgesellschaften werden wir das nicht schaffen. Auch wenn nicht alle gleich die Museumsinsel besuchen: Wer auf Dauer in Deutschland leben will, muss sich bemühen, mit den Deutschen zusammenzuleben. Deshalb ist Integration die vorrangige Aufgabe und nicht eine Erhöhung von Zuwanderung.

Frieden und Freiheit müssen immer neu bewahrt werden. Das erfahren wir seit dem 11. September deutlich. Wie Goethe sagte: "Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen." Für Offenheit und Toleranz einer Gesellschaft gilt das genauso. Das darf in der Zuwanderungsdebatte nicht vergessen werden. Und weil Vielfalt und Einheit sich auch ergänzen, gehören Patriotismus und Integration zusammen.

Wolfgang Schäuble ist CDU-Präsidiumsmitg

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