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POSITIONEN: Trinken wie in Amerika

"Lasst Jugendliche trinken, aber bringt ihnen bei, verantwortlich zu trinken." Das klingt gut, funktioniert in der Realität aber selten. Auch in Deutschland sollten erst 21-Jährige Alkohol kaufen dürfen.

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten (und einzigen) gefälschten Ausweis. In weniger als zwei Stunden bastelte mir ein Freund aus dem College einen falschen Führerschein aus New Jersey. Weil es an dem Abend so schnell gehen musste, war die Rückseite des Ausweises total verrutscht. Doch in dem ganzen Jahr, in dem ich die Karte benutzte, wurde ich in keiner einzigen Kneipe abgewiesen.

Wie sinnvoll also ist die amerikanische Regelung, Alkohol erst an 21-Jährige auszuschenken, wenn man sich so leicht älter machen kann und Minderjährige so problemlos an Alkohol kommen können? Sehr sinnvoll. Denn ich war immerhin schon 20, als ich mit diesem gefälschten Ausweis loszog, während deutsche Jugendliche schon vier Jahre früher offiziell Bier und Wein trinken dürfen. Bis dahin hatte mich in der Tat die Gefahr, erwischt zu werden, davon abgehalten, so oft auszugehen, wie ich es getan hätte, wenn es erlaubt gewesen wäre.

In der Highschool fanden meine Mitschüler und ich die deutsche Regelung besser: Lasst Jugendliche trinken, aber bringt ihnen bei, verantwortlich zu trinken. So entstünde kein Reiz des Verbotenen, dachten wir.

Das klingt gut, funktioniert in der Realität aber selten: Erst vor kurzem hat sich in Berlin ein Jugendlicher zu Tode getrunken. Natürlich gibt es auch in den USA Jugendliche, die trinken, einige sind sogar erst 13 oder 14. Ich glaube aber, dass die Grenze von 21 Jahren es vielen schwerer und einigen sogar unmöglich macht, an Alkohol zu kommen. Wenn ein 14-Jähriger in Amerika versuchte, in einem Laden Alkohol zu kaufen, würde er in den meisten Fällen ausgelacht werden. Dort gelingt das vermutlich erst den 19- oder 20-Jährigen.

Laut einer Studie trinkt in Deutschland jeder Fünfte zwischen zwölf und 25 Jahren regelmäßig. Sie belegt auch, dass die Jugendlichen früher und mehr trinken. Direkte Vergleiche sind kompliziert, aber die National Household Survey über Drogenmissbrauch kommt für die USA zu ähnlichen Ergebnissen – fast jeder Fünfte macht beim sogenanntes Komasaufen mit.

Keines der Systeme funktioniert offenbar wirklich gut. Aber ich bin der Meinung, die Deutschen sollten die Grenze hochsetzen auf ein Alter, in dem die meisten ihre jugendliche Impulsivität verloren haben – und sich dann die Ergebnisse anschauen.

Statistiken aus beiden Ländern zeigen aber auch, dass die Altersgrenze nicht die einzige Lösung ist. In beiden Ländern geht es um kulturell tief verankerte Probleme. Schulen, Eltern, Unternehmen und auch die Regierungen sollten deshalb zusammenarbeiten, um Jugendliche vom Alkohol abzuhalten und aufzuklären.

Die größte Verantwortung, Komasaufen zu verhindern, tragen jedoch die Eltern. Mein Vater und meine Stiefmutter haben offen mit mir über Alkohol gesprochen, als ich aufwuchs. Sie waren keine Puritaner, aber auch nicht gleichgültig. Regelmäßig fragten sie mich, was ich am Wochenende mache, mit wem ich ausgehe und wohin. Ich hatte eine Sperrstunde. All das hat mich natürlich nicht ganz vom Trinken abgehalten, es hat aber den Zeitpunkt auf ein Alter verschoben, in dem ich besser mit Alkohol umgehen konnte, als wenn ich mit 12 oder auch 16 angefangen hätte.

Jugendliche werden immer einen Weg finden, um illegal an Alkohol zu kommen – das Temperament in diesem Alter macht erfinderisch. Deshalb sollte man aber die Versuche, den Alkoholverkauf einzuschränken, nicht einstellen, oder ihn gar frei erhältlich machen. Das Alter hochzusetzen ist eine Strategie, die Deutschland verfolgen sollte, um des Problems Herr zu werden. Schließlich geht es bei den zwölf- bis 14-Jährigen – in beiden Ländern – um zu viel, als dass sie ihren sich gerade erst entwickelnden Verstand in einem Alkohol-Dunst aus losgelösten Hemmungen und unscharfer Sicht verlieren sollten.

Die Autorin ist Journalistin beim „Union Democrat“ in Kalifornien und derzeit Arthur-F.-Burns-Stipendiatin beim Tagesspiegel.

Alisha Wyman

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