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Meinung: Umsturz als Variante An Fortuyns Liste führt in Holland kaum ein Weg vorbei

Von Klaus Bachmann Selten kommt der Wählerwille so klar zum Ausdruck wie bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden. Die Koalition von Wim Kok hat eine Abfuhr erhalten, wie sie in den letzten Jahren in Europa einzigartig dasteht.

Von Klaus Bachmann

Selten kommt der Wählerwille so klar zum Ausdruck wie bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden. Die Koalition von Wim Kok hat eine Abfuhr erhalten, wie sie in den letzten Jahren in Europa einzigartig dasteht. Die etablierten Parteien haben nun die Wahl, weiter zu machen wie zuvor, die politischen Neulinge, die die Emotionen der letzten Wochen ins Parlament gespült haben, zu isolieren – oder radikale Schlussfolgerungen aus dem Wahlergebnis zu ziehen.

Das hieße nicht nur, die Fortuyn-Erben in eine Koalition aufzunehmen und deren Forderungen nach weniger Einwanderung und mehr innerer Sicherheit nachzukommen, sondern auch einen Generationswechsel in den eigenen Reihen durchzuführen. Die Christdemokraten haben das in der Opposition bereits begonnen – einer der Gründe für ihren Erfolg. Die Sozialdemokraten haben dies versäumt und die Quittung bekommen.

Sicher, rechnerisch gibt es auch andere Möglichkeiten. Etwa die Fortsetzung der bisherigen Koalition mit zusätzlichen Partnern, die Bildung eines christdemokratischen Minderheitskabinetts, vorgezogene Neuwahlen oder ein überparteiliches Expertenkabinett, das sich seine Mehrheiten im Parlament zusammensucht. Keine dieser Varianten ist wahrscheinlich: Die Sozialdemokraten halten sich im Moment selbst nicht für regierungsfähig. Mit vorgezogenen Neuwahlen riskiert man, dass die Proteststimmen von noch exotischeren Gruppierungen eingesammelt werden und weder ein Minderheits- noch ein Expertenkabinett wäre stabiler als eine Koalition aus Rechtsliberalen, Fortuyn-Liste und Christdemokraten.

Der Versuch, die Fortuyn-Liste durch hinhaltende Verhandlungen zu spalten, wäre eine Missachtung des Wählerwillens, der die Entfremdung zwischen politischer Elite und Gesellschaft weiter vergrößern würde. Was bleibt, ist die heterogene Mitte-Rechts-Koalition, die das Wahlergebnis nahe legt. Natürlich ist ein solches Experiment mit Risiken behaftet. Eines davon ist eine instabile Regierung, die vielleicht mehrfach umgebildet werden muss. Sicher wird das Image der Niederlande als Vorzeigeland und Vorreiter in Sachen Toleranz leiden, wenn plötzlich im Parlament Konflikte ausgetragen werden, die bisher hinter den Kulissen beigelegt wurden.

Es ist viel die Rede von Krise und Instabilität, von „südeuropäischen" Verhältnissen. In Wirklichkeit hat sich nur gezeigt, dass politische Morde und das Aufkommen populistischer Bewegungen auch vor den Niederlanden nicht halt machen. Das ist weniger erstaunlich als die Überzeugung vieler Niederländer, so etwas sei bei ihnen ausgeschlossen. Heute wissen sie mehr über sich selbst.

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