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Meinung: Und nirgendwo ein Kurfürst

Warum vor allem die brandenburgischen Landwirte so sehr unter der Dürre leiden

Die deutschen Landwirte leiden unter der Dürre der vergangenen Wochen. Seit Anfang April hat es in den meisten Regionen Deutschlands kaum noch geregnet. Besonders betroffen sind die Bauern in Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern. Sie wirtschaften auf zum Teil extremen Böden. Und hier hat es seit Wochen gar nicht mehr geregnet.

Die Geschichte der Landwirtschaft in Brandenburg und Teilen Mecklenburg-Vorpommerns ist eine Geschichte von Entbehrungen. Karge sandige Böden, die Feuchtigkeit nicht speichern können, haben landwirtschaftliche Betätigung hier immer ein bisschen wie ein Glücksspiel erscheinen lassen: Lief es gut, konnte man auf den sogenannten Grenzertragsböden, die preisgünstig zu kaufen oder zu pachten sind, Roggen und andere anspruchslose Getreide ernten, in Gegenden mit Bewässerungsmöglichkeiten wachsen Kartoffeln, in einigen Spargel, Gemüse und Obst. Landwirtschaft war hier immer ein politisches Geschäft: Flächen wurden urbar gemacht, weil der Große Kurfürst es so wollte. Holländer wurden angesiedelt, um den Menschen die Milchwirtschaft beizubringen. Kartoffeln wurden auf Befehl angepflanzt, um dieBevölkerung zu ernähren. Von selbst hat die Natur hier nie etwas gegeben. Und so ist es bis heute geblieben.

Auf sieben durchschnittliche oder gute Ernten ein Totalausfall, so konnten die Landwirte in der Region bisher kalkulieren – und einigermaßen auskommen. Sollte sich die Zahl der Totalausfälle jetzt häufen, gibt es ein ernstes Problem. Dann nämlich wird sich die Landwirtschaft in vielen Gegenden des Berliner Umlands bald nicht mehr lohnen, mehr und mehr Flächen werden aufgegeben. Anders als in DDR-Zeiten gibt es heute zudem niemanden mehr, der ein umfassendes Be- und Entwässerungssystem unterhält und kostenlos zur Verfügung stellt. Anders als in den Jahrhunderten zuvor gibt es auch keinen Kurfürsten mehr, der dafür sorgt, dass die Menschen in den Dörfern und die Bauern auf ihren Höfen bleiben.

Angst vor Nahrungsmittelknappheit muss in diesen Breiten natürlich niemand haben, selbst wenn extreme Wetterlagen zunehmen. Schlimmstenfalls werden Lebensmittel teurer. In der Europäischen Union aber werden noch immer mehr Lebensmittel produziert, als ihre Bürger essen können. Das wird voraussichtlich auch dann so bleiben, wenn der Klimawandel tatsächlich im heute befürchteten Ausmaß einträte.

Für die betroffenen Landwirte und die Dörfer, in denen sie leben, sieht die Sache schon anders aus. Man muss nicht gleich das Bild heulender Wölfe in den Einöden Brandenburgs beschwören, um die Trostlosigkeit verwaister Landstriche zu beschreiben. Doch ein großer Teil der Betriebe wird es nicht überleben, wenn sich die Quote der Missernten erhöht. Dann wird sich der Bevölkerungsschwund auf dem Land beschleunigen, die Hoffnung auf viele Naherholungstouristen wird sich auch schnell erledigen. Dagegen tun kann und sollte niemand etwas – außer, das Wetter wird wieder besser.

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