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Meinung: Unter dem Deckel

Die Äußerungen der katholischen Bischöfe in Israel sind empörend, nicht antisemitisch

Nun hilft nur noch Klarheit – und Differenzierung. Die Reise der Deutschen Bischofskonferenz nach Israel und Palästina war eine bedeutende Geste, aber der Ausgang, den sie genommen hat, ist geeignet, ihren Ertrag infrage zu stellen. Dass die katholischen Bischöfe in Ramallah und Bethlehem angesichts der israelischen Kontroll- und Abwehrapparatur emotional aufgerührt waren, wird man ihnen gern zugestehen. Aber das macht die Äußerungen, die dabei gefallen sind, nicht zu Bemerkungen, die man mit ein paar bedauernden, „selbstkritischen“, „richtig stellenden“ Erklärungen aus der Welt schaffen könnte.

Auch dass der Mensch, also auch der Bischof sich aus seiner Betroffenheit in Vergleiche rettet, ist normal. Aber es ist unerträglich, wenn in einem Atem von der Situation in Ramallah und dem Warschauer Ghetto oder von den israelischen Grenzanlagen und der Berliner Mauer die Rede ist. Solche Vergleiche hinken nicht nur auf beiden Beinen, sondern – was noch problematischer ist – in eine schlimme Richtung. Denn das Warschauer Ghetto war eine Einrichtung, die auf die Verfolgung und schließlich auf die Vernichtung der Juden gerichtet war, die Berliner Mauer die Manifestation einer Ideologie, die es rechtfertigte, ein Volk einzusperren. Das sind die israelischen Mauern, Zäune und Kontrolltunnel jedenfalls nicht.

Dass sie martialisch sind, in vielem eine schwere Zumutung auch für die Freunde des Landes, wird man kaum bestreiten können, und deshalb darf, ja, muss die israelische Sicherheitspolitik auch kritisiert werden. Aber diese Kritik muss sich Rahmen der nachgerade aussichtslos verkeilten Situation bewegen. Sie muss, um das Mindeste zu sagen, die permanente Gefährdung im Auge haben, der das Land ausgesetzt ist, einschließlich der noch immer dahinterstehenden Bedrohung seiner Existenz.

Aber so klar die bischöflichen Entgleisungen gebrandmarkt werden müssen, so sehr muss auch darauf bestanden werden, dass sie nicht die Botschaft dieser Reise waren. Dass sich die Bischofskonferenz, die Vertretung des deutschen Katholizismus, auf den Pilgerweg in die Krisenregion gemacht hat – auch dass sie sich zum Existenzrecht Israels bekannt hat – bleibt ein Vorgang von Gewicht. Und es wird der Reise auch nicht gerecht, wenn auf der israelischen Seite die berechtigte Empörung Zuflucht in der Unterstellung des Antisemitismus oder im Vorwurf der Demagogie nimmt. Wo nicht auseinandergehalten wird, was auseinandergehalten werden muss, bleiben die besten Absichten – und die sind nicht wohlfeil, sondern verständnisnotwendig – auf der Strecke.

Ja, man kann nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aber im Verhältnis von Deutschen und Juden, also auch gegenüber Israel, muss man es. Hier ist die Goldwaage unverzichtbar. Man muss wirklich nicht mehr begründen, weshalb. Vielleicht bestürzt an den Äußerungen am Ende dieser Reise am meisten, dass der Sinn für das Unvergleichbare dieses Verhältnisses so fatal aussetzte. Da gehe einem „der Deckel hoch“, sagte der Eichstätter Bischof. Man möchte wirklich wissen, was unter diesem Deckel vorgeht.

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