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Meinung: Unter Monstern

Von Wolfgang Prosinger

Nichts dazugelernt. Wieder legen sich zwei kommunistische Abgeordnete quer und lassen die Regierung Prodi über die Klinge springen. Und im Hintergrund lauert einer und reibt sich die Hände – Silvio Berlusconi. Genauso war es nämlich im Jahr 1998. Auch damals waren Heckenschützen von der „Partei der kommunistischen Wiedergründung“ am Werk, die Folgen sind bekannt: Es begann die bleierne Zeit des Berlusconi-Regimes, in der Italien die gute Laune verging und das Land den Anschluss ans moderne Europa verpasste. Und jetzt also déjà vu.

Es scheint unfassbar: Wegen eines sektiererischen Prinzipienstreits über die Beteiligung am UN-Einsatz in Afghanistan und über die Erweiterung eines US-Truppenstützpunkts im norditalienischen Vicenza, wegen bloßer pazifistischer Correctness, setzen Abgeordnete die eigene Regierung aufs Spiel, die erst seit 281 Tagen im Amt ist und die herkulische Arbeit vor sich hat, Italien aus der selbst verschuldeten Krise wieder herauszuführen. Das ist mehr als unverantwortlich, und die Zeitung „La Repubblica“ nennt es völlig zu Recht „ideologisch verbohrt“. Die anmaßende Wir-wollen-alles-Idiotie der 70er Jahre ist offenbar immer noch am Leben.

Ob das allerdings wirklich zur Berlusconi-Renaissance führen wird, ist keineswegs ausgemacht. Vielleicht handelt es sich bei Prodis Rücktritt auch nur um jene speziell italienische Spielart der Mehrheitsfindung, die dem Land 61 Regierungen seit 1945 beschert hat. Die geht so: Erst mal die Vertrauensfrage stellen, um abtrünnige Abgeordnete auf Linie zu bringen. Wenn das nicht hilft, zurücktreten. Aber so ein Rücktritt heißt in Italien ja gar nicht unbedingt Rücktritt. Vielleicht erhebt sich ja aus der Asche der gescheiterten Regierung Prodi schon heute oder morgen die Regierung „Prodi bis“, Prodi, die zweite. Rücktritt als Disziplinierungsinstrument. Der legendäre christdemokratische Politiker Giulio Andreotti hat es auf diese Weise sieben Mal zum Premierminister gebracht.

Noch also ist Italien nicht verloren. Das ändert indessen nichts daran, dass sich das Land endlich von der Kultur der politischen Winkelzüge und der egoistischen Partikularinteressen befreien muss. Vielleicht wäre dazu auch eine Reform des Wahlrechts nötig, damit klarere Mehrheiten möglich und kippelige Monsterkoalitionen wie heute unnötig werden. Und damit ideologische Fundamentalisten keine Chance mehr haben.

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