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Meinung: Unterirdisch

Die „tageszeitung“ ärgert Polens Präsidenten – und der verdirbt sich prompt den Magen

Die Sache ist schwierig. Um Majestätsbeleidigung handelt es sich nicht bei dem Vorgang, der gerade die deutsch-polnischen Beziehungen überschattet, oder, sagt man besser: etwas bewölkt? Majestätsbeleidigung gibt es nicht mehr. Aber die „taz“ hat sich auch nicht der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter schuldig gemacht, als sie den polnischen Präsidenten, Lech Kaczynski, mit einer Kartoffel verglich. Denn am 26. Juni, als die Tat – die Veröffentlichung des Artikels – geschah, befand sich Kaczynski nicht auf Staatsbesuch in Deutschland. Nur dann aber wäre der Vorgang justiziabel gewesen.

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des polnischen Staatsoberhauptes, genauer seine ganz offiziell als solche benannten Verdauungsprobleme – haben ihn jedenfalls, unabhängig von den Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuches, von der Teilnahme an den Gesprächen des so genannten „Weimarer Dreiecks“ abgehalten, der regelmäßigen Treffen zwischen hohen Repräsentanten Frankreichs, Polens und Deutschlands. Unzweifelhaft eine politische Erkrankung – die polnische Außenministerin, Anna Fotyga, warf der „taz“ vor, sie folge dem Stil des NS-Propagandablattes „Der Stürmer“. Das polnische Präsidialamt nahm die Formulierung prompt auf seiner Homepage auf, was man nicht tut, wenn man die zitierte Ansicht nicht teilt.

Der Text in der „taz“ ist Teil einer Artikelfolge unter dem Rubrum „Schurken, die die Welt beherrschen wollen“. Vor Kaczynski hatten Angela Merkel und Horst Köhler die zweifelhafte Ehre, hier porträtiert zu werden. Der jüngste Text ist gallig, man könnte auch sagen: vor Häme triefend. Eben Satire, und nur, wer die „taz“ nicht kennt, wird sich darüber wundern.

Man kann davon ausgehen, dass die polnische Botschaft in Berlin den Beratern des Präsidenten die Unterschiede zwischen etwa, um ein anderes Drei-Buchstaben-Blatt als Beispiel zu nehmen, der „FAZ“ und der „taz“ erklärt hat. Dessen ungeachtet scheinen polnische Regierungsstellen immer noch davon auszugehen, die Bundesregierung würde sich auf die eine oder andere Art von dem Text distanzieren. Was sie unter weiser Respektierung der Pressefreiheit diesmal genauso wenig tun wird, wie sie sich auch schon anlässlich der Publizierung der Mohammedkarikaturen in deutschen Medien zurückgehalten hat.

Vielleicht ist es überhaupt ein Fehler, den ganzen Vorgang ernst zu nehmen. Man könnte einfach darauf verweisen, dass bei Kartoffeln nur die Blüten und Blätter ungenießbar sind, während der unterirdische Teil ausgesprochen schmackhaft ist, der Vergleich mit ihm also schon deshalb keine Beleidigung sein kann. Die ernsten Aspekte findet man an anderer Stelle: Bei der Konferenz des Weimarer Dreiecks sollte es auch um die Kontakte der EU mit den Staaten westlich von Russland und um deren Stabilisierung gehen – ein Thema, das man ohne Polen aber schlicht nicht behandeln kann.

Gerd Appenzeller

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