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Meinung: Unterschicht am Herd

Warum das geplante Betreuungsgeld für daheim beausichtigte Kinder Unsinn ist

Von Antje Sirleschtov

Ein bisschen gemein ist es schon, wenn sich der bayerische CSU-Chef Edmund Stoiber – quasi zum Abschied – für ein Betreuungsgeld für Mütter stark macht und die SPD das ganze sofort als hinterwäldlerische „Herdprämie“ diffamiert. Schließlich wäre eine solche 150-Euro-Prämie, die Mütter erhalten, wenn sie ihre kleinen Kinder zu Hause betreuen, der deutschen Familienpolitik in keiner Weise wesensfremd.

Wo man hinsieht, ob ins Steuerrecht oder in die Sozialversicherungen: Überall werden hierzulande Familien dafür belohnt, dass sie mit ihren Kindern zu Hause bleiben, statt sie vor der Arbeit bei einer Tagesmutter oder in der Kita abzugeben. Man denke nur an das Ehegattensplitting, die beitragsfreie Krankenversicherung für Ehefrauen oder die Hartz-IV-Regelungen. Ja, auch das Sozialgesetzbuch sorgt letztlich dafür, dass eine Verkäuferin mit zwei Kindern zum Spott ihrer Freundinnen wird, wenn sie für 800 Euro ganztags hinter der Supermarktkasse schwitzt.

Und wer jetzt denkt, das alles seien nur Relikte längst verstaubter Familienpolitik, denen nun das moderne großkoalitionäre Bekenntnis zu mehr Krippenplätzen ein jähes Ende setzt, der irrt. Es ist noch kein Jahr her, seit in Thüringen eine „Herdprämie“ eingeführt wurde. 150 Euro monatlich für Mütter von Zweijährigen, die einen großen Bogen um Kinderkrippen machen, beim zweiten Kind sogar 200 Euro. Stoibers Prämie passt also in die familienpolitische Landschaft der Herdprämien. Auch, wenn sie bisher nicht so genannt wurden.

Grundfalsch ist die Idee trotzdem. Denn sie ist weder finanzierbar, noch unterstützt sie die Ziele moderner Familien- und vor allem Bildungspolitik. Und schon gar nicht hilft sie denen, die der Staat im Auge haben sollte: den Kindern sozial schwächerer Familien. Sie, das wissen wir mittlerweile aus unzähligen Studien, benötigen in vielen Fällen dringend Unterstützung beim Sprechenlernen, beim Kennenlernen gesunder Lebensmittel und Sport, beim Erlanger sozialer Kompetenzen. Gut geführte Krippen und Kindergärten sind dafür die richtigen Orte. Eine Betreuungsprämie von 150 Euro würde jedoch gerade dort, wo das Einkommen klein ist, die Eltern dazu verleiten, ihre Kinder von diesen Orten fernzuhalten.

Es ist verständlich, dass es Eltern nicht akzeptieren können, wenn ihnen vorgerechnet wird, dass der Staat im Jahr 185 Milliarden Euro – und damit eine Menge Geld – für sie ausgibt. Denn trotz der Milliarden haben sie das Gefühl, im Vergleich zu Kinderlosen finanziell im Nachteil zu sein. Ein Anspruch auf dauerhafte staatliche Finanzierung eines Familien- Wunschmodells – Mutter und Kind zu Hause – kann über das Elterngeld im ersten Lebensjahr des Kindes hinaus daraus allerdings nicht abgeleitet werden.

Schließlich hat die Mehrzahl der jungen Eltern von der traditionellen Familienpolitik die Nase voll. Dass der Staat nun seine jahrzehntelangen Versäumnisse beim Aufbau von Krippen und Kindergärten und der Unterstützung von Tagesmüttern nachholt, kommt ihnen entgegen. Es ist ein familienpolitischer Neuanfang. Nun heißt es, von Betreuungsgeldern oder Herdprämien – wie auch immer sie heißen – endlich Abschied zu nehmen.

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