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Meinung: Vereint durch Angst und Hoffnung

Bushs Wähler haben mit Schröders Wählern vieles gemeinsam Von John C. Kornblum

Europa zittert. Der Wahlsieg von George W. Bush scheint die Differenzen zwischen den USA und den Verbündeten zu vertiefen. Wo wird man unter solchen Umständen Gemeinsamkeiten finden können? Driften die USA noch weiter von Europa weg? Ist Unilateralismus jetzt die Staatsphilosophie der USA?

Alles ist möglich. Eine Verbesserung der Zusammenarbeit ist aber eben auch erreichbar. Um europäische Interessen zu vertreten, ist es wichtig den Versuch zu unternehmen, die Fundamente der erfolgreichen BushStrategie zu verstehen. Eine genaue Untersuchung führt zu ganz anderen Schlüssen, als man vielleicht erwartet.

Laut Umfragen zeigen die meisten amerikanischen Wähler nur wenig Interesse an Hegemonie oder präventiver Außenpolitik; eine Mehrheit der Amerikaner will sogar enger mit den Verbündeten zusammenarbeiten.

Der Präsident hat solche Themen im Wahlkampf so gut wie gar nicht angesprochen. Er hatte ein anderes Ziel. Er wollte sich als Protektor der Nation darstellen. Um dieses Ziel zu erreichen, wiederholte er ununterbrochen eine einfache Formel: „Die Welt ist gefährlich, aber ich bleibe stark und entschlossen und behüte die Urwerte der USA.“

Nicht die Wirtschaft, nicht die Krankenversicherung und auch nicht unbedingt der Irak haben Wähler in Richtung Bush bewegt. Eine diffuse Mischung komplizierter Gefühle stand an erster Stelle. Laut Umfragen waren die zwei wichtigsten Gründe der Pro-Bush- Stimmung die Sehnsucht nach persönlicher Sicherheit und der Wunsch, klare Antworten auf das Wirrwarr des 21. Jahrhunderts zu erhalten.

Also: Angst und Hoffnung. Die Angst vor neuen Bedrohungen durch Terrorismus, Schurkenstaaten und auch vor den Folgen des technologischen Wandels, der Globalisierung und den demographischen Entwicklungen. Angst vor Werteverfall und Bedeutungsverlust der Familie, vor Immigranten und dem Älterwerden.

Aber auch Hoffnung. Die Hoffnung, dass eine bedrohte, übertechnisierte und gesellschaftlich vereinsamte Welt durch Glauben und Werte menschlicher gestaltet werden kann. Bush hat diese Thematik erfolgreicher artikuliert als Kerry. Seine Thesen waren vielleicht oberflächlich, und er hat es konsequent vermieden, Probleme und Fehlleistungen seiner Administration direkt anzusprechen.

Aber seine Botschaften haben die Wähler erreicht. Trotz Irak, trotz einer zunehmenden Polarisierung im eigenen Land haben genug Amerikaner Bushs Botschaft angenommen, um ihm eine zweite Amtszeit zu ermöglichen.

Hierin liegt ein Lichtblick für Europa. Vielleicht hat man die Amerikaner tatsächlich missverstanden. Die Sehnsucht nach Sicherheit und Religiosität wurde von vielen Europäern als Griff nach Weltherrschaft interpretiert. Wenn man den „exit polls“, den Wählerbefragungen, glauben kann, hatten die meisten Bush-Wähler anderes im Sinn. Sie interessierten sich wenig für die komplizierten Details der Politik. Sie suchten Leitmotive, die ihnen als Wegweiser dienen können. Kerrys programmatische Reden wirkten eher verwirrend. Im Jahre 2004 scheinen die Amerikaner sich nach einer aktiven Verteidigung zu sehnen, unterstützt durch moralische Werte, die sie bei der Suche nach Klarheit in einer verwirrenden Welt unterstützen könnten.

Wollen Europäer etwas anderes? Haben europäische Politiker anders gehandelt, als sie gegen Krieg und Unilateralismus gewettert haben? Europäische Politiker spiegelten auf ihre Weise dieselben Bedürfnisse wider, wie Bush sie in Amerika vertritt. Die Ziele sind ähnlich. Nur die Methoden sind anders. Amerikaner wollen Taten. Sie halten wenig von einem „Friedensprozess“ europäischer Art.

Aber in Angst und Hoffnung sind Amerikaner und Europäer vereinigt. Angst herrscht auf beiden Seiten. Beide brauchen Hoffnung, wollen Klarheit. Es muss doch möglich sein, dieses Ziel gemeinsam zu erreichen.

Der Autor war von 1997 bis 2001 US-Botschafter in Deutschland und vertritt heute die Investmentbank Lazard in Berlin.

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