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Meinung: Verhandeln ohne öffentliches Interesse

Beim Tarifkonflikt geht es inzwischen nur noch um die strategischen Ziele von Verdi, SPD und CDU – nicht mehr um die Betroffenen

Bei den öffentlichen Arbeitgebern herrscht Krisenstimmung. Nach dem Abbruch der Tarifverhandlungen am vergangenen Samstag greift der stellvertretende Verhandlungsführer Ralf Stegner (SPD) den Verhandlungsführer Hartmut Möllring (CDU) frontal an. Unterstützt wird er vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck. Der CDU-Mann keilt zurück, zur Hilfe eilt der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber.

In diesem Tarifkonflikt geht es für keine der Seiten mehr ausschließlich um einen angemessenen Abschluss. Es geht ums Image, es geht um die Macht, es geht um die Balance zwischen dem neuen linken Lager und den gemäßigt linken Politikkreisen in diesem Land, und es geht um Wählerstimmen bei den Landtagswahlen am 26. März. Verdi-Chef Frank Bsirske versucht, die SPD wieder zu einem klaren Linkskurs zu erpressen und das eigene Lager durch einen Sieg aus scheinbar aussichtsloser Position zu einen. Der CDU-Verhandlungsführer Hartmut Möllring will die Sozialdemokraten auf einen strammen finanzpolitischen Konsolidierungskurs zwingen. Und die SPD fürchtet sich vor der Linkspartei. Diese Angst bestimmt ihr Handeln im Augenblick mehr als alles andere, mehr als die Haushaltsnöte auch der SPD-geführten Länder, mehr als die politisch notwendigen Rücksichten auf die CDU und mehr als das Interesse an einer Fortdauer des Arbeitgeberbündnisses in der Tarifgemeinschaft der Länder. Sollte die Gewerkschaft Verdi in den kommenden Tagen tatsächlich thatcheristisch in die Knie gezwungen werden, würden wohl tausende von öffentlich Bediensteten am 26. März nicht mehr sozialdemokratisch, sondern ganz links wählen. Das ist die Sorge der SPD, deshalb schert sie nun zumindest verbal aus der Tarifgemeinschaft aus. Aus diesen Gründen wächst der Einigungsdruck und im eigenen Lager die Bereitschaft, den Forderungen der Bediensteten jetzt entgegenzukommen. In der Partei wünschen sich viele zwar nichts sehnlicher als eine ordentliche Abreibung für Gewerkschaftschef Bsirske – nur nicht vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

So wird der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst beladen mit allen möglichen anderen Inhalten. Um diejenigen, auf die es ankommt, geht es nur noch am Rande. Es geht nicht um die Beschäftigten, von denen viele vermutlich lieber länger arbeiten würden als ihren Arbeitsplatz zu riskieren. Es geht nicht um die Bürger, die den öffentlichen Dienst finanzieren und einen Anspruch auf guten und zuverlässigen Service ihrer Länder und Kommunen haben. Es geht auch nicht um diejenigen, die sich möglicherweise in einigen Jahren gern auf einen wettbewerbsfähigen Arbeitsplatz bei den Ländern und Gemeinden bewerben würden. Und um eine gemeinsame Strategie, wie in diesem Land vorhandene Arbeitsplätze sicherer und effizienter und neue Jobs möglich werden, geht es auch nicht mehr.

Das ist der wirkliche Skandal: Gewerkschaften und die politischen Bedeutungsträger haben in den vergangenen Wochen mit Ehrgeiz darum gekämpft, bestehende Jobs komfortabler zu machen. Ob Hamburger Tarifabschluss oder die Überlegungen zu Mindest- und Kombilöhnen: Das Kokettieren mit der Linkspartei hat sich für die Gewerkschafter längst ausgezahlt – egal, wie der Tarifpoker im öffentlichen Dienst am Ende ausgeht.

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