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Volkszählung: Wer sind wir und wie viele?

Als jetzt die Zahlen der jüngsten Volkszählung aus dem Jahre 2011 veröffentlicht wurden, regte sich niemand darüber auf. Sind wir alle abgebrühter geworden als die Generation, die vor der letzten Volkszählung 1987 in der alten Bundesrepublik auf die Barrikaden ging?

Als jetzt die Zahlen der jüngsten Volkszählung aus dem Jahre 2011 veröffentlicht wurden, regte sich niemand darüber auf. Sind wir alle abgebrühter geworden als die Generation, die vor der letzten Volkszählung 1987 in der alten Bundesrepublik auf die Barrikaden ging? Damals schwappte der Unmut über die als dreist empfundene Datensammelwut des Staates bis zum Bundesverfassungsgericht nach Karlruhe, das den Bürgern prompt ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zusprach. Die Landsleute in der DDR wurden 1981, als dort letztmals die Menschen gezählt wurden, gar nicht gefragt, ob ihnen das passt. Aber wahrscheinlich haben wir inzwischen Internet und Facebook ganz freiwillig so viel von unserer Privatsphäre preisgegeben, dass uns eine Volkszählung egal ist.

Das sollte sie aber nicht sein. Denn zu wissen, wer wir sind und wie viele, ist Basis fast jeder staatlichen Planung. Das beginnt im Großen – wenn Deutschland 1,5 Millionen weniger Einwohner hat als gedacht, kann sich das auf die Zahl der Mandate im Europäischen Parlament auswirken. Wenn in Bundesländern wie Berlin oder Brandenburg, beides Empfänger im horizontalen Finanzausgleich, 180 000 oder 43 000 Einwohner weniger leben, führt das vermutlich zu einer Kürzung der Zuwendungen. Und für die Hauptstadt besonders relevant dürfte die Erkenntnis sein, dass die Zahl der Jüngeren deutlich kleiner als erwartet ist. Das weist darauf hin, dass Studenten nach dem Ende der akademischen Ausbildung ohne Abmeldung wegziehen, weil sie hier keine Arbeit finden.

Ähnlich wie das der Studenten scheint auch das Verhalten vieler vorübergehend in Deutschland lebender Ausländer zu sein. Wenn 2011 mehr als eine Million weniger als erwartet bei uns leben, kann auch dies nur mit einem stillen Wegzug ohne Registrierung bei den Meldeämtern erklärt werden. Wie relativ andererseits die Erkenntnisse aus solchen Zahlenwerken sein können, sieht man an der unbezweifelbar steigenden Zahl der Zuzüge und der Kinder, die eingeschult werden müssen. Hier hängt die Bevölkerungstatistik offenbar der Realität hinterher. Wer aber kommunale Infrastruktur, angefangen von Kindergärten und Schulen bis zu Krankenhäusern und Altersheimen plant, braucht möglichst exakte Zahlen. Deshalb ist es gut, dass die nächste Volkszählung nicht erst in 25 oder 30 Jahren, sondern schon 2021 geplant ist.

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