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Meinung: Vom Anwalt zum Komplizen

Von Sebastian Bickerich

Am Ufer des Pregel, dort, wo früher das Königsberger Schloss stand, verrottet seit fast dreißig Jahren das „Haus der Stände“. Jetzt, wo Wladimir Putin, Gerhard Schröder und Jacques Chirac das 750jährige Jubiläum der Stadt feiern, die heute Kaliningrad heißt, wurden hastig Fenster eingesetzt in die viereckige Sowjetruine. Doch nur auf zwei Seiten, für den Rest fehlte das Geld. Für etwas anderes fehlte offenbar der Wille: Putin hielt es nicht für notwendig, die Staatschefs der baltischen Staaten und den polnischen Präsidenten zum Stadtjubiläum einzuladen.

Und so bleiben sie morgen unter sich: Jacques Chirac, der die neuen EU-Länder im Osten beschimpfte, sie seien „ahnungslos“ und „leichtfertig“, weil sie es wagten, beim Thema Irak eine andere Meinung zu vertreten als die Franzosen. Wladimir Putin, der über Weißrusslands Diktator seine schützende Hand hält und die russische Verantwortung für die Besetzung des Baltikums bis heute leugnet. Und Gerhard Schröder? Deutschland war einmal Anwalt der baltischen Staaten, führte Polen in die EU, erkannte als erstes Land die Souveränität der Slowenen und Kroaten an. Die deutsche Verantwortung gegenüber den Nachbarn im Osten, das war früher eine Grundkonstante deutscher Außenpolitik.

Vor dem absehbaren Ende seiner Amtszeit sieht Schröders Politik im Osten anders aus. Die Angst vor billigen Arbeitskräften wird auch von seiner Partei kräftig geschürt – und das, obwohl Polen, Esten oder Letten sieben Jahre auf den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt warten müssen. Beim gescheiterten EU-Gipfel in Brüssel verpasste er die Chance, gemeinsam mit den Staaten Osteuropas auf eine Reform der Agrarsubventionen hinzuarbeiten. Stattdessen wandelt er auf einer Achse, die außenpolitisch sinnlos ist: Die russisch-französisch-deutsche Zusammenarbeit hat außer ihrer Gegnerschaft zu den USA kaum Berührungspunkte und muss Polen wie Balten zwangsläufig aufschrecken. Zudem konterkariert der Dreibund das erklärte Ziel einer europäischen Außenpolitik gegenüber Russland.

Der Symbolgehalt von Schröders Besuch in Kants Heimatstadt, die ihre deutschen Wurzeln 40 Jahre lang leugnete und so dringend auf einen Aufschwung wartet, wird so überschattet. Schröder hat sich zum Komplizen Putins gemacht. Wieder einmal.

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