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Meinung: Vom Leitwolf zum Pudel? Von Malte Lehming

Klarheit hat ihren Preis. Jeder Deutsche, der die deutsche Geschichte bemüht, um eine aktuelle Politik zu rechtfertigen, geht ein hohes Risiko ein.

Klarheit hat ihren Preis. Jeder Deutsche, der die deutsche Geschichte bemüht, um eine aktuelle Politik zu rechtfertigen, geht ein hohes Risiko ein. Als Joschka Fischer, kaum im Amt, von Auschwitz sprach, um den Grünen ihren Pazifismus auszutreiben, damit die Bundeswehr beim Kosovokrieg mitmachen konnte, schalt man ihn der Übertreibung – und nahm ihn beim Wort: Ein zweites Auschwitz verhindern, aber ohne Bodentruppen? Dem vollen Mund folgte der volle Spott. Nun mahnt Angela Merkel, kaum im Amt, davor, den „Anfängen zu wehren“. Im Blick hat die Kanzlerin das iranische Atomstreben und Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. „Wir haben aus unserer Geschichte gelernt“, sagt Merkel und meint damit, dass Appeasement im Umgang mit Teheran keine Option sein dürfe.

Das ist wahr, klar – und hart. Während US-Präsident George W. Bush sich in der Iran-Diskussion derzeit auffallend zurückhält, haben ausgerechnet die Vertreter Frankreichs und Deutschlands, Bushs Hauptwidersacher beim Irakkrieg, die Rolle der Leitwölfe übernommen. Jacques Chirac droht damit, Atomwaffen einzusetzen, Merkel lädt die Kontroverse historisch auf. Falls die Strategie Erfolg hat, was zweifelhaft ist, wird man die beiden für ihren Mut loben. Falls nicht, lauert insbesondere auf Merkel eine doppelte Gefahr.

Erstens wird man sie, wie einst Fischer, beim Wort nehmen. Wehret den Anfängen – Heraushalten geht dann nicht. Anders als beim Irak wird die Bundesregierung, wenn es zum Schwur kommt, militärisch dabei sein müssen oder sich abgrundtief lächerlich machen. Vom Leitwolf zum Pudel, der den Entwicklungen nur noch brav hinterherhechelt, mutiert es sich manchmal recht schnell. Zweitens ist fraglich, ob die Deutschen bereit sind, die möglichen wirtschaftlichen Konsequenzen eines Bruchs mit Teheran zu tragen. Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner Irans. Ob Umsätze oder Arbeitsplätze: Eine Eskalation der Krise hätte drastische Folgen. Hat die mutige Merkel all das bedacht? Auf jeden Fall bleibt die Kanzlerin ein Rätsel. In der Innenpolitik drängt sie zu Kompromissen, im Äußeren scheut sie keinen Konflikt.

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