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Meinung: Vor der Implosion

Von Harald Maass

Es ist bezeichnend, dass nach dem Atomkompromiss mit Nordkorea niemand von einem Durchbruch sprach. Dafür waren die Sechs-Nationen-Gespräche zu schwierig, und dafür lässt die gemeinsame Erklärung auch zu viele Interpretationen offen. Vorerst geht es nur um Nordkoreas Plutoniumvorräte – das vermutete Uranprogramm bleibt unerwähnt. Unklar ist auch, wie genau sich die internationalen Inspekteure Nordkoreas Atomanlagen ansehen dürfen und wie rasch Washington im Gegenzug politische und wirtschaftliche Zugeständnisse machen muss. Trotzdem ist das Ergebnis von Peking ein wichtiger erster Schritt auf einem Weg, an dessen Ende eines Tages tatsächlich die atomare Abrüstung Nordkoreas stehen könnte.

Das nun gefundene Abkommen gibt einen konkreten Fahrplan zur Einfrierung der nordkoreanischen Atomanlagen im Gegenzug für Energie- und Wirtschaftshilfen an das hungernde Land vor. Ob daraus ein Erfolg wird, hängt von der politischen Bereitschaft in Washington und Pjöngjang ab. Nur wenn die USA zu einer wirklichen politischen Annäherung an das Regime bereit sind – konkret: zur Aufhebung der Wirtschaftssanktionen, zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen und zur Streichung Nordkoreas von der Liste der Terrorstaaten – wird Pjöngjang den Atomausstieg erwägen. Bisher hatte US-Präsident George W. Bush, der Nordkorea einst als Teil der „Achse des Bösen“ bezeichnet hatte, direkte Verhandlungen mit dem Regime stets abgelehnt. Ob es ihm nun tatsächlich gelingt, über den eigenen Schatten zu springen, wird man sehen.

Die wichtigste Entscheidung muss jedoch Kim Jong Il in Pjöngjang treffen. Der Diktator, den die Propagandamedien des Landes als „lieben Führer“ betiteln, spielte in dem Atomstreit bisher auf Zeit. Immer wieder ließ er seine Unterhändler Zugeständnisse machen, um diese dann wenige Tage später zu widerrufen. Nun steht Kim vor der Wahl: Entweder, er setzt weiter auf Atombomben und militärische Abschreckung. Oder er nutzt den Atomkompromiss, um sein darbendes Land aus der Isolation zu führen.

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