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Meinung: Wachsam sein, nicht hysterisch

Wie in Heidelberg neuer Terror verhindert wurde

Von Gerd Appenzeller

Ist eine Flutkatastrophe schlimmer als der Terrorismus? Dumme Frage! Aber eines sollte für beide Themen gelten – sie taugen nicht für den Wahlkampf. Sollte. Nachdem die deutsche Polizei, durch einen Tipp amerikanischer Kollegen alarmiert, in Heidelberg zwei mutmaßliche Terroristen festgenommen hatte, kam Bayerns Innenminister Beckstein gestern dennoch auf diese Spur: Die Bundesregierung habe die Gefahr militanter, islamischer Extremisten nicht ernst genommen.

Woher weiß er das? Welche Indizien, welche Fakten ermächtigen ihn, nach einer geglückten Aktion der Ermittlungsbehörden eine so vorwurfsvolle Verknüpfung zur Politik herzustellen? Nichts, es war billige Polemik. Beim Zugriff in Heidelberg hat funktioniert, was funktionieren muss, wenn terroristische Gewaltakte verhindert werden sollen. Dass es Anschlagsversuche weiter geben würde, haben wir gewusst. Deshalb wurden die Sicherheitsgesetze ja verschärft.

Eine Bekannte der Heidelberger Tatverdächtigen war aufmerksam und hat ihre Beobachtung der amerikanischen Militärpolizei mitgeteilt. Die wiederum informierte die deutschen Kollegen, und die reagierten prompt. Wachsamkeit der Bürger, internationale Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden, professioneller, schneller Zugriff – genau das war nach dem 11. September immer wieder gefordert worden.

Alarmierend an dem geplanten Sprengstoffanschlag auf einen amerikanischen Supermarkt in Heidelberg ist jedoch, dass die Tat möglicherweise nur von wenigen Personen sehr unauffällig vorbereitet wurde. Auch hier deutet im Moment, im Gegensatz zur schnellen Meinungsbildung von Günther Beckstein, noch nichts auf Hintermänner hin. Wenn es sie gibt, waren sie wohl eher bei der Beschaffung des Explosivstoffs aktiv. Die Tat selbst hätte mühelos von den zwei Verhafteten ausgeführt werden können. Das spricht nicht dagegen, dass es eine geistige Verbindung zu weiteren gewaltbereiten Islamisten gibt, etwa auch durch die gemeinsame Bewunderung für Osama bin Laden. Sie ist sogar in hohem Maße wahrscheinlich.

Bedrohlicher erscheint die Perspektive, dass kleine Gruppen unabhängig voneinander spektakuläre Taten planen und ausführen. Dieses Vorgehen würde an die Spätphase der extremistischen Zellen in Deutschland erinnern, an eine Art von Feierabendterrorismus, der sich der polizeilichen Aufklärung völlig entzieht, weil die Täter vor und nach der Tat eine unauffälliges Leben führen.

Der in Heidelberg Verhaftete ist Türke. Ein in Amerika ebenfalls unter Terrorismusverdacht festgehaltener 39-jähriger Afghane hat 30 Jahre in Deutschland gelebt. Das richtet den Focus naturgemäß sofort auf die in Deutschland lebenden Ausländer mit islamischem Hintergrund. Das ist verständlich. Aber nach wie vor gilt, dass es zu einem Generalverdacht keinerlei Anlass gibt. Auch das sollte übrigens kein Wahlkampfthema sein.

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