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Meinung: Wahl in Bayern: Miesbach ist nicht Mitte

Bayern ist nicht Deutschland? Der Bundeskanzler, im Nebenberuf SPD-Parteivorsitzender, sagt, dass die Kommunalwahlen zwischen schroffem Fels und hohem Tann keine Testwahl für den Bund waren.

Bayern ist nicht Deutschland? Der Bundeskanzler, im Nebenberuf SPD-Parteivorsitzender, sagt, dass die Kommunalwahlen zwischen schroffem Fels und hohem Tann keine Testwahl für den Bund waren. Da trifft er sich einmal im Urteil mit dem Kanzlerkandidaten, der auch noch CSU-Chef ist. Und wahr ist: Die Ergebnisse sind besonders von der Persönlichkeit der örtlichen Bewerber abhängig, außerdem vom Kumulieren und Panaschieren. Insofern hält sich das Ergebnis dann die Waage. Die CSU bleibt im Land die große kommunalpolitische Kraft, die SPD gewinnt in Städten. Orte in der Fläche haben mehrheitlich für die CSU gestimmt, Nürnberg, Fürth und Augsburg sehen die SPD vorn. Und damit könnten die großen Parteien das Ergebnis abhaken. Weil Bayern ja nicht Deutschland ist.

So zu denken, kann ein Fehler von strategischer Bedeutung sein. Es geht nicht nur um Prozentrechnerei, nach der die CSU so ungefähr ihr Gesamtergebnis von 1996 wieder erreicht. Denn hinter den Zahlen zeigt sich die Folie für den Kampf um die Bundesrepublik. Wenn die Union ihre Stärke vom Land holt, lässt sich daraus ableiten, dass die Strategie der Sozialdemokraten für die übergeordneten Wahlen der Union gefährlich werden kann. Dass sie vielleicht in Bayern doch mehr gewonnen hat als nur eine Stadt: Die SPD gewinnt nämlich dort, wo Wahlen gewonnen werden müssen - in den Ballungsräumen.

Die dazu gehörige These lautet: Die Metropolen-Orientierung im ganzen Land nimmt zu. Das hat etwas mit Berlin zu tun, mit seiner Ausstrahlungskraft, die über Deutschland hinausreicht; Berlin hat den Wettbewerb der großen Städte angefeuert - und die Urbanisierung in den Köpfen in der Provinz. Da setzt die SPD mit ihrem Kanzler und Vorsitzenden an. Schröder soll Vertreter des (kulturellen) Lebensgefühls einer Gesellschaft sein: der "Aufstiegsmitte". Viele ihrer Vertreter sind in der Mitte des Lebens, in der Familienphase, dank der Bildungsrevolution aufgestiegen, gehören zu denen, die es geschafft haben - aber gerade nicht nach dem tradiertem Muster, nicht mit Blick auf den Herrgottswinkel, sondern im bewussten Gegenentwurf. So verläuft der Aufstieg ohnehin oft, aber hier wird er noch einmal instrumentalisiert. Hier soll er die Botschaft aussenden: Wir sind in der Mitte angelangt, wir sind die (neue) Mitte, und die ist modern, tolerant, weltoffen, leistungswillig und zugleich sozial.

Dementsprechend arbeiten die Sozialdemokraten an ihrem Bild. Ihre ergänzende Losung für den Angriff auf die Union lautet: nur Kritik, keine eigenen Rezepte. Schröder trägt seinen Vorwurf der "Sonthofen-Strategie", benannt nach Franz Josef Strauß und seiner legendären Rede von 1974 zur Marschroute von CDU und CSU aus der Opposition im Bund, nun schon einige Zeit vor. Er hat sie zum Beispiel, ausgerechnet, mit den Themen Steuern und Arbeitslosigkeit verbunden. Und weil die Union für ihre Antworten länger gebraucht hat, konnte der Vorwurf sich auch verbreiten. Zunächst in den Städten. Hinzu kommt, dass Schröder Stoiber nicht bloß als sein Plagiat zeichnet, als einen Macher anderer Art, nur schlechter, sondern als sein kulturelles Gegenbild. Danach ist Stoiber der typische Vertreter der "rechten" Mitte, einer verbürgerlichten, geschlossenen, auch gehemmten Gesellschaft.

So wird jetzt von den großen Parteien ein Kulturkampf inszeniert, Gegensätze werden deutlich gegeneinander gestellt. Doppelte Staatsbürgerschaft, Homo-Ehe, Bildung als die neue soziale Frage, moderne Familienpolitik, überlegte Zuwanderungspolitik sind die immer wiederkehrenden Stichworte. Und so wird der Kulturkampf intoniert: "Der Kandidat aus Bayern", der Rückschrittliche, soll nicht die Gelegenheit haben, das umzukehren, was mit viel Mühe auf den Weg gebracht worden ist. Wenn aber Bayern so gesehen doch ein Stück Deutschland ist - dann hat Stoiber wieder seine Chance. Wenn er in die Mitte zurückgelangt und auch auf die Städter zielt. Wenn er also seine Mitte nicht nur mit dem "Ich-bin-einfach-besser"-Anspruch begründet, sondern inhaltlich als Maß und Ausgleich, als Absage an ideologische Fixiertheit, als Offenheit gegenüber der Zukunft und Demut gegenüber den Erfahrungen der Vergangenheit. Das kann wirken. Auch in Metropolen wie Berlin.

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