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Meinung: Wandel durch Abschreckung

Harte Strafen sind aber nur ein Weg zum friedlichen 1. Mai

Von Frank Jansen

Ob es was nützt? Das Amtsgericht Tiergarten hat jetzt einen Randalierer der letzten Mai-Krawalle in Berlin zu einer ungewöhnlich hohen Haftstrafe verurteilt. Der Steinewerfer bekam drei Jahre und zehn Monate, so viel Härte leistet sich die Justiz eher selten. Richter und Staatsanwälte hoffen, dass sich so ein Urteil in den randalewilligen Milieus herumspricht und abschreckend wirkt. Mag sein, dass die jungen Chaoten deutscher, türkischer, polnischer und sonstiger Herkunft sich erst mal unbeeindruckt zeigen. Doch die Justiz hat, auch durch ihr enges Zusammenwirken mit der Polizei, nach der Mai-Randale in diesem Jahr ein deutliches Signal für das nächste Jahr ausgesandt. Wer einigermaßen bei Verstand ist, sollte diese Warnung begriffen haben.

Justiz und Polizei können natürlich alleine nicht hinreichend der Krawallgefahr vorbeugen. Außerdem arbeiten die Strafverfolger permanent an der Grenze ihrer Kapazitäten. Da erscheint es fast schon wie ein Wunder, dass eine Hand voll Staatsanwälte und Richter den jährlichen Schub von Mai-Delikten noch bewältigt. So ist das harte Urteil, das jetzt gesprochen wurde, auch eine an Politik und Gesellschaft gerichtete Mahnung: Das Engagement von Justiz und Polizei kann nur nachhaltig wirken, wenn das Abgeordnetenhaus, die großen Parteien und die Mehrheit der Bevölkerung rechtzeitig vor dem nächsten 1. Mai überlegen, wie das Randaleritual abzuschaffen wäre. Ansätze gab es in den vergangenen Jahren, aber sie waren zaghaft, wurden zerredet oder fielen der vorauseilenden Resignation anheim, es werde sich doch nichts ändern lassen. Warum eigentlich?

Es scheint nicht so, als seien die letzten Ideen gedacht und keine Aussichten auf einen friedlichen 1. Mai mehr vorstellbar. Jenseits der Debatten über polizeiliche Härte oder Deeskalation müsste es möglich sein, einen präventiven, zivilen Widerstand gegen die Krawalle (und den inzwischen auch fast obligatorischen Nazi-Aufmarsch) zu überlegen. Die Hoffnung ist nicht vergebens: In diesem Jahr war zu beobachten, dass ältere und junge Kreuzberger die Steinewerfer „von dem Scheiß“ abhalten wollten. Wird dieser Impuls stärker, bewirken auch Urteile mehr Abschreckung. Vielleicht gelingt in Berlin mal ein einfach nur netter Maifeiertag.

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