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Meinung: Warnung und Entwarnung

WAS WISSEN SCHAFFT Das Auswärtige Amt hat mutig ein sehr heißes Eisen angefasst: die internationale Bioethik. Anfang der Woche waren rund 70 Wissenschaftler, Politiker und Vertreter von Interessensgruppen zu einem Dialog darüber eingeladen, wie die Biotechnologie das Leben auf dem Globus zukünftig beeinflussen wird.

WAS WISSEN SCHAFFT

Das Auswärtige Amt hat mutig ein sehr heißes Eisen angefasst: die internationale Bioethik. Anfang der Woche waren rund 70 Wissenschaftler, Politiker und Vertreter von Interessensgruppen zu einem Dialog darüber eingeladen, wie die Biotechnologie das Leben auf dem Globus zukünftig beeinflussen wird. Das Ergebnis ist erschreckend und beruhigend zugleich. Beunruhigen muss, dass die Entwicklungsländer rund um den Globus gerade dabei sind, mit enormem Aufwand in die Biotechnologie einzusteigen – ohne bisher an der ethischen Debatte beteiligt gewesen zu sein.

Ihnen kann niemand verdenken, dass sie genau das gleiche tun wollen wie jede Biotech-Startup-Firma: in einen sich neu eröffnenden, gigantischen Markt mit hohen Gewinnaussichten einsteigen. Jedoch sind die ethischen und technischen Standards der Industrieländer hier oft nicht einmal ansatzweise vorhanden; so wird die Bioethik-Debatte in einigen Ländern Afrikas und Asiens kaum geführt, manche haben nicht einmal ein Ethikkomitee, das klinische Studien und Forschungsprojekte beurteilt. Bedenkenlose Wissenschaftler und Firmen können dort riskante Medikamententests und rechtlich bedenkliche Organentnahmen durchführen oder sogar verbotene Klontechniken anwenden.

Beispiel Südkorea: Dort begannen die Wissenschaftler bereits Ende der 90er Jahre mit Versuchen, Menschen reproduktiv zu klonen. Jahre, bevor der italienische Reproduktionsarzt Antinori mit seinen spektakulären Plänen in die Weltpresse kam, wurde in Südkorea im Stillen das letzte Tabu der Gentechnik gebrochen. Erst kürzlich hat die koreanische Regierung ethische Regelungen für die Biotechnologie erlassen.

Andere Länder, andere ethische Probleme. Peking lehnt zwar die vorgeburtliche Geschlechtsbestimmung offiziell ab, jedoch ist die Abtreibung unerwünschter Mädchen überall im Land seit langem gang und gäbe. Wer das Geld dazu hat, sorgt neuerdings per In-vitro-Fertilisation (IVF) von vornherein dafür, dass der Nachwuchs den kleinen Unterschied hat. Ironie der biotechnischen Entwicklung: Ausgerechnet die USA, die sich in Sachen Menschenrechte gerne als Weltpolizisten sehen, machen es wie die Chinesen. Wer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten das Geschlecht per IVF vorbestimmen will, kann dies in den meisten Bundesstaaten ohne Einschränkung tun – manche Professoren vergleichen sogar bereits die für Eizellen ihrer Studentinnen erzielten Preise als Ranking-Kriterium der US-Universitäten.

Auch strenge ethische und religiöse Maßstäbe bedeuten keineswegs immer, dass Embryonenforschung abgelehnt wird. In Indien ist die Verwendung weniger Tage alter Embryos für die Forschung nichts Verwerfliches, da die Seele nach dem wiedergeburtlichen Glauben erst zu einem späteren Zeitpunkt der Schwangerschaft in das ungeborene Kind eintritt. Jüdische Rabbis sehen schließlich in der Verbesserung des Menschen – auch mit gentechnischen Methoden – eine gottgegebene Aufgabe des Menschen. Trotzdem ist die Konferenz ein Grund, die gerade beginnende Entwicklung einer internationalen Bioethik optimistisch zu sehen. Trotz aller kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Unterschiede der Rahmenbedingungen werden erstaunlicher Weise überall die gleichen Probleme gesehen. Die Sorge um die Einhaltung der Menschenrechte, die Erhaltung der Umwelt, die Gesundheit der kommenden Generationen – das zeigte diese Tagung – vereint die Menschen auf dem Globus.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Mikrobiologie an der Universität Halle.Foto: J. Peyer

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