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Meinung: Warten auf die nächste Tat

Sicherungsverwahrung nur im Westen? Eine Gesetzeslücke muss geschlossen werden

Ein zweifacher Frauenmörder gilt auch nach 22 Jahren Haft noch als sexistisch gewaltbereit und wird trotzdem entlassen. Jetzt sollen ihn 30 Polizeibeamte Tag und Nacht überwachen – und das womöglich jahrzehntelang. Die Freilassung zweier weiterer Serientäter, wegen Vergewaltigungen und Kinderschändung verurteilt, stand dieser Tage bevor – der eine, Uwe K., wurde im Januar bereits ohne Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft aus der Haft entlassen und später noch einmal vorsorglich festgenommen. Diese Fälle ereignen sich in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Ähnliches könnte in allen fünf ostdeutschen Bundesländern sowie auch in Ost-Berlin geschehen. Und der Volksmund ruft: Skandal!

Die Erregung, verbunden mit der Furcht vor neuerlichen Gewalttaten, ist verständlich, zumal selbst Brandenburgs Generalstaatsanwalt im Fall Uwe K. von einer „tickenden Zeitbombe“ spricht. Der 42-jährige K. geht jetzt zwar erst mal in die Psychiatrie, doch das rechtliche Grundproblem ist bis heute ungelöst. K. nämlich hatte zwischen 1992 und 1995 in Falkensee bei Berlin neun Mädchen brutal missbraucht. Das Landgericht Potsdam verurteilte ihn zu elf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung nach Paragraf 66 des Strafgesetzbuchs (StGB). Doch der Bundesgerichtshof hob die Anordnung der Sicherungsverwahrung später auf, weil jener Paragraf laut Einigungsvertrag im Gebiet der früheren DDR erst für Straftaten nach 1995 gelten sollte.

1990 hatten die DDR-Unterhändler sogar darauf bestanden, das ursprünglich von den Nazis eingeführte Institut der Sicherungsverwahrung als angeblich faschistisches Erbe in Ostdeutschland überhaupt nicht zu übernehmen. Erst nach mehreren Sexualdelikten wurde 1995 die Sicherungsverwahrung wegen Wiederholungsgefahr auch für den deutschen Osten eingeführt. Allerdings ohne Rückwirkung für die Jahre bis 1995.

Die Lage wird noch komplizierter. Denn im Sommer 2004 beschloss der Bundestag den Paragrafen 66 b StGB, der auch während der Haftzeit eines verurteilten Gewalttäters bei erkennbar fortwirkender Gefährlichkeit eine „nachträgliche“ Anordnung der Sicherungsverwahrung ermöglicht. Offenbar übersehen wurde dabei jedoch das Problem der im Osten bis 1995 verurteilten Täter.

Jetzt werfen sich Brandenburgs Behörden und das Bundesjustizministerium wechselseitig Versäumnisse vor. Justizministerin Brigitte Zypries sagt, man habe sie erst unlängst, also zu spät auf die Problemfälle und eine gesetzliche Regelungslücke aufmerksam gemacht. Das Problem bestand aber seit Jahren, spätestens nach der bundesrichterlichen Korrektur des Potsdamer Urteils im Fall K. Zudem hatte der Bundesrat im Mai 2006 eine Novellierung des Paragrafen 66 b StGB angestoßen und in der Begründung ausdrücklich auf die bisher „eingeschränkte“ Anwendung „der Sicherungsverwahrung im Beitrittsgebiet“ hingewiesen. Die Bundesregierung hat diese Initiative dann am 28. Juni 2006 begrüßt und eine noch weitergehende „differenzierte Lösung“ durch einen „eigenen Gesetzentwurf in Kürze“ angekündigt. Falls dieser Entwurf inzwischen nicht vergessen wurde, wäre es für ihn nun höchste Zeit.

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