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Meinung: Warum wir nach Kinshasa müssen

Wenn die Befriedung des Kongos scheitert, leidet Afrika – und Europa Von Karl-Georg Wellmann

Viele Bürger fragen nach dem Sinn des Bundeswehreinsatzes im Kongo. Die Politik hat diese Frage bisher nicht deutlich genug beantwortet. Dabei gibt es eine Reihe guter Gründe für unser Engagement: Der Kongo, drittgrößtes afrikanisches Land, ist nach langen Jahren schrecklicher Bürgerkriege instabil, mit Auswirkungen auf die Nachbarstaaten. Es war der südafrikanische Präsident Mbeki, der festgestellt hat, dass ohne eine Stabilisierung des Kongo ganz Afrika nicht zur Ruhe kommt. Europa ist davon schon heute direkt betroffen. Zu Tausenden versuchen entwurzelte Schwarzafrikaner europäischen Boden zu erreichen. Spanien hat die EU bereits um Hilfe gebeten, weil es allein den Flüchtlingsandrang nicht mehr bewältigen kann. Wenn es uns nicht gelingt, die Probleme vor Ort zu lösen, kommen die Probleme zu uns.

Die demokratische Republik Kongo ist reich an Bodenschätzen, darunter solche, die für uns von strategischer Bedeutung sind. Eine geordnete Entwicklung im Kongo ist also auch aus diesem Grund wichtig. Bis heute verschaffen sich Nachbarn oder ausländische Unternehmen gewaltsam oder durch Korruption Zugang zu den Bodenschätzen. Der Reichtum steht bisher nicht für die Entwicklung des Landes zur Verfügung. Schließlich und vorrangig das humanitäre Argument angesichts von vier Millionen Bürgerkriegstoten. Noch heute sterben jeden Tag tausend Kongolesen durch Gewalt, das entspricht rechnerisch einer Tsunami-Katastrophe alle sieben Monate. Scheitert der politische Prozess, dann fällt der Kongo zurück ins Chaos und wir werden auch zukünftig vor den humanitären Folgen unsere Augen und vor allem unsere Geldbeutel nicht verschließen können.

Die Bundeswehr soll im Kongo keine Wahlen organisieren oder überwachen. Die politische Konsolidierung wird seit fünf Jahren von den UN mit beachtlichem Erfolg betrieben. Dazu gehören der Aufbau von Regierung und Parlament, von Polizei und Armee, von Verwaltungsstrukturen und vor allem die Organisation der Wahlen. Die Registrierung von über 90 Prozent der 27 Millionen wahlberechtigten Bürger ist gelungen. Es wäre nicht klug, die Fortschritte der internationalen Gemeinschaft im Kongo zu gefährden. Alle Anstrengungen müssen unternommen werden, dass der für den 30. Juli vorgesehene erste Wahlgang störungsfrei abläuft. Die UN haben deshalb die Europäer gebeten, für vier Monate mit einer begrenzten Zahl von Soldaten im Lande präsent zu sein. Dies wird vor allem als demonstrativer Akt verstanden und soll mögliche Unruhestifter von Einflussnahmen auf das Wahlergebnis abhalten. Das europäische Truppenkontingent soll als Reserve für die 17 000 im Kongo stationierten Blauhelmsoldaten dienen. Außerdem werden Kapazitäten für die Evakuierung im Krisenfall benötigt. Deutsche Soldaten sollen nur im Raum Kinshasa eingesetzt werden und dies zunächst auch nicht in voller Stärke. Die heutige Lage ist nach Einschätzung der Bundesregierung und nach eigenen Beobachtungen ruhig. Der Kongo ist christlich, nicht islamisch geprägt, weshalb die europäischen Soldaten in einem grundsätzlich freundlichen Umfeld stationiert werden. Hochrangige Gesprächspartner in Kinshasa haben immer wieder betont, dass vor allem Deutschland im Kongo willkommen sei als ehrlicher Makler ohne koloniale Vergangenheit.

Die Politik muss offen ansprechen, dass der Einsatz mit Risiken behaftet ist. Die Kongolesen wollen demokratische Wahlen. Diese müssen effektiv und transparent durchgeführt werden weil sonst schnell der Eindruck von Wahlbetrug oder Manipulation entsteht und dann die Situation außer Kontrolle geraten kann. Führer ehemaliger Bürgerkriegsparteien, die heute noch an der Übergangsregierung beteiligt sind könnten versucht sein, mit Hilfe ihrer Privatarmeen den demokratischen Machtwechsel zu behindern.

Der deutschen Öffentlichkeit müssen diese Risiken vorher – und nicht nachher – vermittelt werden. Auch ich war zunächst sehr skeptisch, wollte mir aber ein eigenes Bild von der Lage machen. Gespräche mit Regierungsmitgliedern, Oppositionellen, Kirchenvertretern, der Führung der UN-Mission und Botschaftern anderer Länder haben mich davon überzeugt, dass der Prozess der Konsolidierung im Kongo alternativlos ist. Schlägt er fehl, versinkt das Land wieder im Chaos. Die jahrelangen Vorbereitungen für die Wahlen sind praktisch abgeschlossen. Es lohnt sich, diese Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft auf den letzten Metern zu unterstützen.

Der Autor ist CDU-Abgeordneter im Bundestag und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.

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