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Meinung: Was wird aus der Bahn?: Harte Zeiten für den Herrn der Schienen

Sie soll pünktlich, schnell, flächenversorgend und günstig sein. So sind - nicht gerade unbescheiden - die Erwartungen der Bürger an die Bahn.

Sie soll pünktlich, schnell, flächenversorgend und günstig sein. So sind - nicht gerade unbescheiden - die Erwartungen der Bürger an die Bahn. Wie löst man solche Erwartungen ein? Mit Wettbewerb, sagt der sozialdemokratische Verkehrsminister Kurt Bodewig. Und die Grünen übertreffen sich in laut tönender Zustimmung. Das Pathos des Wettbwerbs aus den Ressorts der rot-grünen Regierung klingt ungewöhnlich. Aber der Gedanke ist völlig richtig: Nur mit Wettbewerb können die Leistungen der Bahn(en) zuverlässiger und billiger werden.

Wettbewerb kann es nicht geben, solange die Verantwortung für das Schienennetz und den Bahnbetrieb in einer Hand liegen. Das ist beim Telefonieren nicht anders als beim Eisenbahnfahren und - zumindest unter Verkehrsexperten - auch gar nicht umstritten. Minister Bodewig macht daraus jetzt Politik. Denn der Monopolist Deutsche Bahn wird - beste Absicht unterstellt - in einen Interessenkonflikt kommen, wenn er gleichzeitig für den diskriminierungsfreien Zugang anderer Personen- oder Güterbahnen zu seinem Netz bürgen soll. Im Zweifel wird die Deutsche Bahn jedes Fremdangebot eines Wettbewerbers unterbieten; deren Klagen sind glaubhaft.

Das spricht für eine große Strukturreform. Die Bahn muss die Hoheit über das Netz abgeben. Jetzt gehe es nicht mehr um das "ob", sondern nur noch um das "wie", sagt Bodewig. Wer daraus schließt, es stünden jetzt ein paar technische Details an, täuscht sich gewaltig. Denn Bodewigs "wie" hat es in sich. Soll man das Netz staatlich betreiben oder einem Privaten überantworten? Privatisierung versteht sich in diesem Fall ausnahmsweise nicht von alleine. Denn Netze sind andere Güter als Äpfel, Handys oder Ferienreisen. Ein alternatives Schienennetz wird niemand bauen. Und aus natürlichen Gründen können, anders als im Luftverkehr, auch nicht mehrere Züge denselben Raum gleichzeitig durchfahren.

Der Betreiber des Schienennetzes steht somit selbst nicht unter Wettbewerbsdruck. Er hat deshalb wenig Anreize, die Schiene sicherheitstechnisch auf den neuesten Stand zu bringen. Dieser Einwand von Bahnchef Hartmut Mehdorn gegen eine Trennung von Schiene und Bahn ist nicht von der Hand zu weisen. Er wird gestützt durch die desaströsen Erfahrungen, die Großbritannien mit der Liberalisierung der Bahn gemacht hat: Verspätungen, schlechter Service und erhöhte Unfallgefahr. In England wird gerade darüber nachgedacht, die private Infrastrukturgesellschaft wieder in eine öffentliche Stiftung umzuwandeln.

Damit ist die Richtung für Deutschland klar. Aus Wettbewerbsgründen spricht alles für die Reform des Verkehrsministers. Doch Deregulierung braucht - wie bei Telefon, Strom, Gas und Wasser - Regulierung. Sonst werden aus den versprochenen Vorteilen für den Kunden nur Nachteile. Die Details sollten gut überlegt werden: Denkbar ist ein staatlicher Eisenbahnregulierer, der Preise für die Schienenbenutzung festlegt, Slots - also Abfahrtzeiten - an die Bahngesellschaften vergibt und über die Sicherheitsbestimmungen wacht. Dann kann der Netzbetrieb ruhig in privater Hand sein. Denkbar ist aber auch, das Schienen- wie das Straßennetz als Infrastrukturaufgabe in öffentlicher Hand zu belassen. Im Übrigen ist auch hier Bodewig konsequent. Wenn die Bahn für die Schienenbenutzung zahlen soll, muss auch der Autofahrer für die Straßenbenutzung aufkommen. Eine allgemeine Maut ist nur eine Frage der Zeit. Dass die Straßenbenutzer besser lobbyistisch organisiert sind als die Bahnfahrer sollte die Politik nicht schrecken.

Grüne und rote Verkehrspolitiker müssen freilich wissen: Mehr Wettbewerb auf der Schiene bringt die Bahn unter Rationalisierungsdruck. Wer heute für die Trennung von Netz und Bahnbetrieb ist, darf morgen weder hohe Lohntarife noch einen üppigen Personalbestand der Deutschen Bahn zementieren. Der Rollenkonflikt des Staates als Eigentümer der Deutschen Bahn und Netzbetreiber wird damit offenkundig. Deshalb muss Bodewig jetzt auch rasch den zweiten Schritt tun: Die rasche Trennung von Schiene und Betrieb fordert eine ebenso schnelle Privatisierung der Bahn.

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