zum Hauptinhalt

Meinung: Was Wissen schafft: Das Virus im Zeugenstand - Endlich billige Aids-Medikamente für Afrika

Im Kampf um billige Aids-Medikamente sah es lange so aus, als hätte das arme Afrika gegen die mächtigen Pharma-Giganten nicht die geringste Chance. Während für reiche Länder immer raffiniertere Pillenkombinationen zur Verfügung stehen, müssen im südlichen Afrika bereits Schulen und Polizeistationen aus Personalmangel geschlossen werden - bis zu einem Viertel der Erwachsenen ist HIV-infiziert.

Im Kampf um billige Aids-Medikamente sah es lange so aus, als hätte das arme Afrika gegen die mächtigen Pharma-Giganten nicht die geringste Chance. Während für reiche Länder immer raffiniertere Pillenkombinationen zur Verfügung stehen, müssen im südlichen Afrika bereits Schulen und Polizeistationen aus Personalmangel geschlossen werden - bis zu einem Viertel der Erwachsenen ist HIV-infiziert.

Die Behandlung eines Aids-Patienten kostet in den Industrieländern etwa 15 000 Dollar pro Jahr, für Afrika gibt es Sonderpreise um die 5000 Dollar - immer noch unbezahlbar für Staaten, deren jährliches Gesundheitsbudget bei 10 Dollar pro Einwohner liegt. Die Forderung nach drastischen Preisnachlässen wurde von den Pharmafirmen bisher stets abgelehnt: Unmöglich wegen der hohen Entwicklungskosten. Vergangene Woche ist das Unmögliche plötzlich möglich geworden. Die weltgrößten Pharmakonzerne, die gerade noch Südafrika wegen Verletzung ihrer Patentrechte verklagt hatten, knicken ein: Merck bietet seine beiden wichtigsten Aids-Medikamente für 500 bis 600 Dollar pro Jahr an. Bristol-Myers Squibb überlegt, das Patent für Stavudine freizugeben. Andere Firmen wollen folgen.

Den unerwarteten Sinneswandel haben weder die Appelle der UN noch die 25 Millionen HIV-Infizierten auf dem afrikanischen Kontinent bewirkt. Auslöser war vielmehr der Aufruf eines Zeugen, den selbst die Pharma-Giganten fürchten: Im Patentstreit von 39 Konzernen gegen den Staat Südafrika ließ das Gericht in Pretoria die Aids-Epidemie selbst als Beweismittel zu. Die Verteidigung erhält damit Gelegenheit, das durch Aids verursachte Elend in der Dritten Welt als Folge der Preispolitik der Pharmaindustrie anzuprangern. Wenn der Prozess Mitte April fortgeführt wird, ist die Zulassung von Nachahmer-Präparaten (Generika) ohne Lizenz wahrscheinlich, der Imageverlust für die Pharmaindustrie sicher.

Möglicherweise wird die südafrikanische Regierung nicht so lange warten. Präsident Mbeki hat jahrelang internationale Hilfe blockiert - mit der Behauptung, Aids sei gar keine Viruskrankheit und die teuren Pillen dienten nur dazu, die Dritte Welt zu unterwerfen. Seit er jedoch frühere Fehler eingestanden und die Behandlung mit modernen Medikamenten zugelassen hat, trifft die Forderung nach Generika auch im Ausland zunehmend auf Sympathie. Seit vergangener Woche liegt ein Angebot des indischen Herstellers Cipla auf dem Tisch, 8 der 15 wichtigsten Aids-Medikamente ohne Lizenz zu liefern: Die Dreifach-Therapie kostet dann 350 Dollar pro Jahr.

Um das nach internationalem Patentrecht verbotene Dumping-Angebot anzunehmen, muss Mbeki nicht einmal auf den Ausgang des Gerichtsverfahrens warten: Das Welthandelsabkommen von 1994 lässt die Umgehung von Lizenzen ausdrücklich zu, wenn ein gesundheitlicher Notstand vorliegt. Deshalb überlegt die südafrikanische Regierung, die Aids-Epidemie zum nationalen Notstand zu erklären. Aber selbst Dumping-Preise von einem Dollar pro Tag und Patient sind ohne ausländische Hilfen nicht zu finanzieren. Zusätzlich sind Verbesserungen bei Infrastruktur und Gesundheitserziehung unerlässlich, um die Epidemie wirksam zu bekämpfen. Sinnvoll wäre deshalb eine konzertierte Aktion der Pharmaunternehmen und ihrer Regierungen, denen ebenfalls an der Beachtung des Patentrechtes gelegen sein muss.

Viel Zeit bleibt den Konzernen nicht, Südafrika von ihrem Versöhnungsangebot zu überzeugen. Wenn Südafrika lizenzfreie Aids-Medikamente zulässt, ist ein Domino-Effekt auf weitere Staaten südlich der Sahara absehbar. Medikamente gegen andere Krankheiten dürften folgen - medizinische Notstände gibt es in Afrika genug, von Malaria bis Flussblindheit.

Alexander S. KekulÉ

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false