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Was WISSEN schafft: Der Himmel muss warten

Letzter Shuttle-Flug: Die Probleme auf der Erde sind wichtiger

Als die Raumfähre „Columbia“ am 12. April 1981 zum ersten Mal von der Startrampe abhob, wollte man kaum glauben, dass dieses unförmige Gebilde überhaupt fliegen kann: ein riesiger Treibstofftank mit zwei seitlich anmontierten Feststoffraketen, auf dem ein kleines Flugzeug im Huckepack reitet. Im Vergleich zur eleganten Saturn V, der Trägerrakete des Mondlandeprogramms, wirkten die „Space Shuttles“ wie hastig designte Prototypen aus einer Garagenwerkstatt. Die Astronauten der Nasa nannten die Gefährte abfällig „space trucks“, weil sie fast nur aus Laderaum bestanden und kaum Platz für die Crew hatten.

Dreißig Jahre später hat sich vieles verändert. Als die „Atlantis“ am vergangenen Freitag zur letzten Shuttle-Mission startete, weinte die (derzeit noch) führende Raumfahrernation ihren unförmigen Weltraumlastern nach. Neil Armstrong, erster Mensch auf dem Mond und amerikanische Nationalikone, schimpfte öffentlich über Barack Obamas Entscheidung, das ohnehin klamme Budget der Nasa ab 2011 weiter zu reduzieren und erinnerte an die Worte von John F. Kennedy zu Beginn der Weltraumära: „Dies ist der neue Ozean, und die Vereinigten Staaten müssen auf ihm segeln können wie kein anderer.“

Zur heftig kritisierten Einstellung des Space-Shuttle-Programms gab es jedoch keine Alternative. Die ästhetisch bizarre Paketkonstruktion der Raumfähren galt schon länger auch technisch als Irrweg. Da der Treibstofftank, die Feststoffraketen und das eigentliche Raumschiff („Orbiter“) nebeneinander liegen, wirken sich Störungen eines Elementes direkt auf das Gesamtsystem aus. Im Jahr 1986 explodierte die „Challenger“, weil eine außer Kontrolle geratene Feststoffrakete den Treibstofftank zerriss. Die „Columbia“ verglühte 2003 beim Wiedereintritt in die Atmosphäre, weil sich beim Start aus dem externen Tank ein Stück Isolierschaum gelöst und eine Kachel des Hitzeschildes am Orbiter beschädigt hatte.

Die technischen Probleme trugen dazu bei, dass auch die Kosten des Shuttle-Programms außer Kontrolle gerieten. Statt der ursprünglichen Ankündigung der Nasa, Billigflüge für 7 Millionen Dollar anzubieten, kostete das Programm letztlich über eine Milliarde Dollar pro Start. Nach dem Columbia-Unglück beschloss die US-Regierung schließlich, die Shuttle-Flüge einzustellen, wenn sie nach 2010 für die Fertigstellung der Internationalen Raumstation ISS nicht mehr benötigt würden.

Doch der Plan, bis dahin zwei neue Trägerraketen zu entwickeln – eine für bemannte Missionen und eine für unbemannte Schwerlasttransporte – ging nicht in Erfüllung. Der amerikanische Kongress macht dafür technische Probleme bei der Nasa verantwortlich. Die Nasa schimpft, der Präsident habe ihr den Geldhahn zugedreht. Und der Präsident streitet mit dem Kongress, wohin die Weltraumreise der USA gehen soll: Die Kongressmehrheit besteht, mit Blick auf die irdischen Arbeitsplätze, auf einem neuen Trägersystem für die Erforschung weiter entfernter Ziele. Doch Obama hat Anfang 2010 das „Constellation“ genannte Mammutprogramm gestrichen, mit dem sein republikanischer Vorgänger George W. Bush die bemannte Mondfahrt wieder aufnehmen wollte. Stattdessen will er bis 2025 amerikanische Astronauten zu einem erdnahen Asteroiden entsenden. Die dafür erforderlichen Trägersysteme soll die Privatwirtschaft in etwa zehn Jahren entwickeln. Bis dahin können die Amerikaner nur noch per Anhalter durch die Galaxis reisen.

Die bemannte Raumfahrt hat in den letzten Jahren jedoch ohnehin keinen gewaltigen Sprung, sondern höchstens kleine Schritte für die Menschheit hervorgebracht. Die Raumstation ISS ist, 13 Jahre nach Baubeginn, nicht fertig. Ob sie bis zur 2020 geplanten Stilllegung noch Großes leisten wird, ist fraglich – eine Evaluierung des wissenschaftlichen Nutzens ist erst Ende des Jahrzehnts geplant.

Menschen zum Mond oder gar zum Mars (Reisezeit: sechs Monate pro Strecke) zu schicken, ist angesichts der Möglichkeiten ferngesteuerter Sonden nicht mehr begründbar – zumal das Geld für die Bekämpfung von Klimafolgen, Seuchen und Sozialnöten dringend benötigt wird. Solange die Menschheit im Ozean der irdischen Probleme zu ertrinken droht, muss der Himmel leider warten.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle. Foto: J. Peyer

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