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Meinung: Was Wissen Schafft: Erst das Auto, dann der Mensch

Ein unglaubliches Ding, das die beiden Jungs vom Hamburger Kietz da gedreht haben: Um den viel beschäftigten Bordellbesitzer vor dem Ruin zu retten, geht sein arbeitsloser Bruder für ihn zehn Monate in den Knast - und keiner merkt etwas. Trotz zwei Jahren Altersunterschied und fast fehlender Ähnlichkeit der Gesichter reichte das Vorzeigen des brüderlichen Personalausweises aus, um die Beamten der Justizvollzugsanstalt Glasmoor zu foppen.

Ein unglaubliches Ding, das die beiden Jungs vom Hamburger Kietz da gedreht haben: Um den viel beschäftigten Bordellbesitzer vor dem Ruin zu retten, geht sein arbeitsloser Bruder für ihn zehn Monate in den Knast - und keiner merkt etwas. Trotz zwei Jahren Altersunterschied und fast fehlender Ähnlichkeit der Gesichter reichte das Vorzeigen des brüderlichen Personalausweises aus, um die Beamten der Justizvollzugsanstalt Glasmoor zu foppen. Der simple Trick flog erst durch einen anonymen Hinweis auf.

Dem Schwindel mit vertauschten Rollen ließe sich ein Ende bereiten - mit implantierbaren Mikrochips. Die US-Firma Applied Digital Solutions stellte letzten Monat einen Mikro-Chip vor, der per Injektionsnadel beinahe schmerzlos unter die Haut geschoben wird. Das stäbchenförmige Gerät von der viertel Länge eines Streichholzes enthält einen "Transponder", mit dessen Hilfe der Träger lebenslang eindeutig und fälschungssicher identifiziert werden kann: Auf dem Chip ist ein bis zu 128 Bit langer Code gespeichert, der sich mit einem Lesegerät jederzeit berührungslos über Funk abfragen lässt.

Im Gegensatz zu den "aktiven" Transpondern, die für die Identifizierung von Flugzeugen eingesetzt werden, kommen die "passiven" Transponder ohne Stromversorgung aus. Die in elektronischen Preisschildern und Skipässen eingesetzten Niedrigfrequenz-Transponder haben rund einen Meter Reichweite, moderne Hochfrequenz-Systeme können aus bis zu 30 Meter Entfernung ausgelesen werden.

Wie fälschungssicher passive Transponder sind, zeigt der durchschlagende Erfolg der Wegfahrsperren: Seit deren Einführung 1993 ist die Zahl der Autodiebstähle drastisch gesunken. Die "Radio Frequency Identification" (RFID) hat nahezu unbemerkt die Kontrolle über weite Bereiche des Alltags übernommen. Neben der Wegfahrsperre sind in vielen Autos weitere Transponder versteckt, mit denen technische Daten ausgelesen und Ersatzteile identifiziert werden können. In einigen Bibliotheken werden die Bücher bereits mittels RFID verwaltet. Transponder an den Füßen erlauben bei unübersichtlichen Massenwettkämpfen - Brieftaubenrennen, Marathonläufe - ein exaktes Stoppen der Zeiten. Rinder, Schweine und sogar Lachse werden mit implantierten Transpondern identifiziert, die am programmierten Schlachtdatum automatisch die Schleuse zur Verwertungsanlage öffnen.

Nun sollen auch Menschen mit der elektronischen Ohrmarke verwechslungssicher gemacht werden. Neben der Identifikationsnummer können medizinische Daten gespeichert werden, etwa über chronische Erkrankungen oder implantierte Hüftgelenke. Daneben eignet sich das Verfahren, so der Hersteller stolz, zur "fälschungssicheren Personenidentifizierung", etwa in der Strafverfolgung oder für die Verteidigung. Beim US-Militär, dem gerade der Taliban-Führer Mullah Omar in einer Rikscha entkommen sein soll, dürften die Pläne auf reges Interesse stoßen. Mit einem geschickt platzierten Transponder ließe sogar Saddam Hussein von seinen gedungenen Doppelgängern unterscheiden. Ob der elektronische Verwechslungsschutz auch den Göttern gefiele, ist fraglich: Hätte Jupiter sich nicht listig als Amphitryon ausgegeben, wäre ihm die schöne Alkmene nie und nimmer verfallen.

Alexander S. Kekulé

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