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Was WISSEN schafft: Gefährliches Gezänk

Der Streit um die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs eskaliert. Wichtiger wäre, dass der hohe Preis von rund 450 Euro für eine vollständige Impfung gesenkt wird.

Selten hat eine medizinische Errungenschaft so viele Widersacher auf den Plan gerufen wie die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs. Seit im vergangenen November eine Gruppe von 13 deutschen Wissenschaftlern ihre Kritik veröffentlichte, gehen nach Herstellerangaben nur noch halb so viele junge Frauen zur Impfung. Auch viele Ärzte wissen nicht mehr, was sie ihren Patientinnen raten sollen.

An die Spitze der Impfgegner hat sich Günther Jonitz, der Präsident der Berliner Ärztekammer gesetzt. Vergangene Woche attackierte er sogar den Nobelpreisträger Harald zur Hausen, dessen Forschung einst die Grundlagen für den Impfstoff gelegt hat. Jonitz warf ihm vor, den Menschen zu schaden, indem er „Heilsversprechen ohne Heilung“ mache.

An der medienwirksamen Breitseite ist zur Hausen nicht ganz unschuldig. Vergangene Woche waren in Zeitungen und Magazinen ganzseitige Imageanzeigen für die chemische Industrie erschienen, die mit einem Foto und Zitaten des Nobelpreisträgers die Vorzüge der Gentechnik bewarben. Als glorreiches Beispiel pries zur Hausen den von ihm mit entwickelten angeblichen „ersten gezielten Impfstoff gegen Krebs“ an.

Bereits die Wortwahl („gezielt“) verrät einen werbetechnischen Eiertanz: Die Vakzine gegen humane Papillomviren (HPV), die Gebärmutterhalskrebs auslösen, ist keineswegs der erste Impfstoff gegen Krebs – dieser Titel gebührt dem bereits 1981 zugelassenen Impfstoff gegen Hepatitis-B-Viren, die Leberkrebs verursachen. Dass der Hepatitis-B-Impfstoff nicht „gezielt“ gegen Krebs wirken soll, weil er nebenbei auch die Leberentzündung verhindert, ist reine Haarspalterei.

Nachdem bereits bei der Nobelpreisvergabe im vergangenen Jahr Kritik am Einfluss eines Pharmamanagers auf die Entscheidung laut geworden war, hätte man zur Hausen durchaus mehr Distanz gegenüber der Industrie gewünscht. Dass er die Kampagne aus Idealismus unterstützte und dafür kein Geld nahm, macht die Sache nicht weniger ungeschickt.

Statt sich an Imagekampagnen zu beteiligen und gegenseitig zu bekriegen, sollten die Ärzte den Patientinnen offen erklären, welchen Nutzen die Impfung bringt.

Insbesondere der immer wieder geäußerte Vorwurf, die Wirksamkeit der HPV-Impfung sei nicht für Krebs, sondern nur für dessen Vorstufen bewiesen, ist blanker Unsinn. In Studien kann selbstverständlich nicht gewartet werden, bis sich Krebs im Endstadium entwickelt – deshalb dienen dessen Vorstufen im Muttermundabstrich als Kriterium für die Schutzwirkung. Eine große, Anfang Juli veröffentlichte Studie zeigte, dass der Impfstoff diese Krebsvorstufen zu 93 Prozent verhindert – das ist wesentlich effektiver als etwa die Impfung gegen Influenza.

Allerdings gibt es für die HPV-Impfung zwei wichtige Einschränkungen. Sie wirkt erstens nur richtig, wenn vorher keine HPV-Infektion stattgefunden hat. Da knapp ein Drittel der Menschen im geschlechtsfähigen Alter mit HPV infiziert ist, macht die Impfung nur vor Beginn der sexuellen Aktivität Sinn. Deshalb wird sie für Mädchen von zwölf bis 17 Jahren empfohlen. Zweitens schützen die derzeit verfügbaren Impfstoffe hauptsächlich gegen die wichtigsten HPV-Typen 16 und 18, zusätzlich ein wenig gegen andere Virustypen. Damit werden 70 bis 80 Prozent der durch HPV verursachten Gebärmutterhalskarzinome abgedeckt.

Die Impfung reduziert das Krebsrisiko also um gut zwei Drittel – kein Grund, die Vorsorge zu vernachlässigen. Jedoch müssen geimpfte Frauen weniger Angst vor der Vorsorge haben: Langfristig werden nur noch selten Muttermundoperationen notwendig, die derzeit aufgrund von Krebsvorstufen in Deutschland rund 140 000 Mal im Jahr anfallen.

Nicht hinnehmbar ist allerdings der unverhältnismäßig hohe Preis von rund 450 Euro für eine vollständige Impfung. Hier muss mit den Herstellern neu verhandelt werden – schließlich ist Gebärmutterhalskrebs in Deutschland, aufgrund der guten Vorsorge, eine seltene Krankheit. Bei einem niedrigeren Preis könnte man auch Jungen impfen, was für die langfristige Bekämpfung der Krebsviren sinnvoll wäre. Wenn die Pharmaindustrie von ihren hohen Preisen abrückt, hat das Gezänk unter Ärzten zuletzt vielleicht doch einen Sinn gehabt.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

Alexander S. Kekulé

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