zum Hauptinhalt

Meinung: Was Wissen schafft: Patente statt Papierkram

Wenn eine Berufsgruppe von Klischees besonders profitiert, dann sind es ohne Frage die Professoren: Ein Professor kommt nicht zu spät, sondern beansprucht das akademische Viertelstündchen. Wenn der Professor schlechten Unterricht hält, muss er wohl ein fantastischer Forscher sein.

Wenn eine Berufsgruppe von Klischees besonders profitiert, dann sind es ohne Frage die Professoren: Ein Professor kommt nicht zu spät, sondern beansprucht das akademische Viertelstündchen. Wenn der Professor schlechten Unterricht hält, muss er wohl ein fantastischer Forscher sein. Wenn er nichts publiziert, arbeitet er an einem schwierigen Projekt. Wenn ein Professor aus dem Fenster schaut, denkt er über Großes nach. Und wenn er beim Bäcker das Geld vergessen hat, ist er ganz offensichtlich ein Genie.

So verwundert es nicht, dass den Professoren ein einzigartiges Privileg geschenkt wurde, weil man sie für so weltfremd hielt. Als im Jahre 1957 das Arbeitnehmererfindergesetz verabschiedet wurde, erwartete man von Humboldts Erben Forschergeist, Aufopferung für die Studenten und vielleicht ein wenig geniale Zerstreutheit - jedenfalls alles andere als Geschäftssinn und Interesse an praktischen Anwendungen. Damit sie nicht durch schnöden Papierkram von der hehren Grundlagenforschung abgehalten werden, wurden sie als einzige Berufsgruppe von der Pflicht ausgenommen, ihre Ergebnisse zur wirtschaftlichen Verwertung dem Arbeitgeber zu melden. Dadurch kann ein Professor seine Geistesblitze als "freie Erfindungen" selbst anmelden, auch wenn er mit den Mitteln der Uni forschte.

Damit soll jetzt Schluss sein. Bildungsministerin Bulmahn will das "Hochschullehrerprivileg" streichen. In den USA nahmen die Unis allein 1998 aus Patenten und Lizenzen 725 Millionen Dollar ein. Dagegen tragen deutsche Hochschulen zu den jährlich etwa 100 000 Patentanmeldungen nur knapp zwei Prozent bei, wovon die wenigsten Gewinne abwerfen. Die gut gemeinte Maßnahme zur Förderung der Patentanmeldungen könnte jedoch genau das Gegenteil bewirken. Die an US-Universitäten obligatorischen Technologietransfer-Büros, die seit Jahrzehnten Erfindungen professionell verwerten, fehlen an deutschen Hochschulen. So sind es meist einzelne Professoren, die den Technologietransfer vorantreiben. Der Biotech-Boom in Martinsried oder Berlin-Buch ist nicht zuletzt das Ergebnis von Ausgründungen geschäftstüchtiger Hochschullehrer, die ihre Erfindungen aus der Universität als Gründungskapital in die Start-ups mitgenommen haben.

Künftig müssen Professoren jedoch ihre Forschungsergebnisse der Universität melden, falls sie Erfindungen beinhalten. Die Universität kann dann innerhalb von zwei Monaten Nachbesserungen verlangen und hat weitere vier Monate Zeit, die Erfindung in Anspruch zu nehmen - eine Ewigkeit, wenn es um zurückgehaltene Publikationen und Patentrechte geht. Anders als in hierarchisch organisierten Industrieunternehmen vertreten Lehrstuhlinhaber ihr Fach gewöhnlich alleine, einziger Vorgesetzter ist der Rektor oder gar der Minister - wer soll da zügig entscheiden, welche Erfindung zum Patent taugt und welche nicht?

Der Aufbau funktionierender Technologie-Büros nach US-Vorbild wird nur an wenigen deutschen Hochschulen rechtzeitig gelingen (wohl in München und Berlin). Andere Hochschulverwaltungen sind bereits mit dem Problem überfordert, einen PC schneller als in sechs Monaten und mit weniger als fünf Anträgen zu bestellen. Ohne die wirtschaftliche Eigeninitiative einzelner Professoren haben diese Hochschulen im Wettbewerb um Studenten, Wissenschaftler und Forschungsgelder keine Chance: Wer zur künftigen deutschen Ivy League gehört, entscheidet sich nicht zuletzt an der Umsetzung des neuen Patentrechts - aber wie soll man sich darum kümmern, wenn der PC noch immer nicht bestellt ist ?

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle.

Alexander S. Kekulé

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false