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Meinung: Wer will da raus?

Der SPD droht, was Schröder mal das Kartell der Mittelmäßigkeit nannte

Die SPD sinkt gegenwärtig in der Wählergunst Punkt um Punkt – und sie hat es verdient. Was die führenden Genossen zurzeit bieten, ist auch wirklich nicht besser als 30 Prozent: nämlich dessen, was sie bieten könnten, wenn sie sich besännen. Damit ist aber so schnell nicht zu rechnen.

In der Rückschau auf die vergangenen Tage zeigt sich, dass der Abschied von Gerhard Schröder mehr ist als eine Episode. Nur weil der Ex–Kanzler sich jetzt gar nicht recht benehmen will wie ein früherer Kanzler und die SPD ihn deshalb am liebsten ausblenden würde, so taugen seine besseren Zeiten doch noch zum Maßstab für die, die jetzt an der Spitze stehen. Und in seinen aktiven Zeiten hatte Schröder für das, was da droht, einen bösen Begriff – Kartell der Mittelmäßigkeit.

Dreieinhalb sollen führen: Franz Müntefering, Peter Struck, ein bisschen Kurt Beck und dann, nicht zuletzt, Matthias Platzeck. Von Struck ist wenig zu sehen, es wirkt, als schone sich der ehemalige Europameister im Parlamentarierfußball für bessere Minuten. Sichtbare und hörbare Impulse gehen von ihm nicht aus, die Truppe – jetzt wieder die SPD – hätte sie dankbar verzeichnet. Er verhält sich ansonsten so, wie es über ihn in der jüngsten Rentendebatte berichtet wird: neutral.

Gar nicht neutral ist Müntefering. Von wegen „Münte“, Mann der Massen, dem Volke zugetan, einfach, gerade, ein Super-Sozi. Einfach ist er nicht, ganz gewiss nicht, sondern verschlossen, dazu tritt er jetzt herrisch auf, als eine Art Wehner. Und wenn er auch gerne Wehner wäre – er ist nicht so. Wehner war Stratege. Das ist auch einer der Gründe, warum Müntefering Oskar Lafontaine nicht verzeihen kann: weil der immer gesagt hat, dass „der Franz“ gut im Ausführen sei, nicht aber in der langen Linie.

Richtig, kam eigentlich unter Müntefering die Programmdebatte voran? Ausgeführt hat Müntefering in der Tat – seinen eigenen Koalitionsbeschluss zur Rente. Der wird aber (in der SPD) als kurzsichtig angesehen, als gut nur für die Generation Münte, nicht für die Jüngeren und schon gar nicht für Wahlkämpfer wie Kurt Beck. Sagen die Jüngeren, die im „Netzwerk“ versammelt sind. Den, dem sie das sagen wollen, schert das nicht; der bleibt für sich, entscheidet für sich. Widerspricht allen Kritikern, Beck, woher und aus welchem Grund sie auch kommen.

Wenn Müntefering immer so war, wie er jetzt ist, dann ist auch keine Frage mehr, warum er nicht mehr Parteichef ist. Dann war er wohl wenig beratbar, unnahbar. Und ganz vielleicht wollte er raus, so wie der andere, Schröder, am Ende rauswollte. Womit der Gedanke aufkommt, der anfangs zu weit hergeholt wirkte: Will der Arbeitsminister demnächst vielleicht auch aus der Regierung raus?

Dann wäre auch die Frage keine mehr, welches Amt ein Platzeck übernehmen könnte. Platzeck, dem Müntefering die Autorität bestreitet, wenn nicht verbal, so doch durch sein Handeln. Als wäre ihm egal, wer unter ihm Parteichef ist. In der regelmäßigen Runde der SPD-Oberen, so wird undementiert berichtet, hat Müntefering über seinen Rentenvorstoß nicht vorab berichtet. Warum auch, nicht wahr. Es war nachher ja auch nur Platzeck, der contre coeur Müntefering vor dem Unmut der Partei retten musste, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Sagen die Parteirechten, die sonst immer Müntefering gerettet haben. So weit ist es gekommen.

Der neue Parteivorsitzende setzt auf die lange Linie, auf die Programmdebatte, die er selbst anführen will. Aus Überzeugung. Nur die Zeit hat er nicht. Der Schaden ist längst eingetreten. Die SPD steht schon schlechter als mittelmäßig da.

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