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Meinung: Wie bei einem windigen Automechaniker

Warum die Einführung von Studiengebühren falsch ist Von Tina Rohowski

Über schlechte Studienbedingungen zu klagen ist teuer geworden. Mit dem Verweis auf diesen Missstand wurden seit 2005 in sieben Bundesländern allgemeine Studiengebühren eingeführt. Die Argumentation: Erst wenn die Hochschulen „Studienbeiträge“ erheben, macht Studieren wieder Spaß: überschaubare Seminare, bestens bestückte Bibliotheken und das gute Gefühl, Kunde der Alma Mater zu sein. Die Gebühren würden die Lehre verbessern. Selbstverständlich sei die Abgabe „sozialverträglich“ gestaltet. Außerdem werde ein großzügiges Stipendiensystem viele Studenten entlasten. Ab diesem Wintersemester wird die Gebührenrepublik stückweise Realität – doch ihre Versprechen bricht sie schon jetzt.

Finanzschwache Bewerber würden nicht abgeschreckt, betonten stets Befürworter von Gebühren. Ein Blick auf die vorliegenden Modelle stimmt hingegen skeptisch. Sie missachten sogar die bestehenden Formen sozialer Studienförderung: Warum sind Bafög-Empfänger nicht prinzipiell von der Zahlung befreit? Ihre staatliche Unterstützung wandert sogleich weiter in den Gebührentopf. Nehmen sie einen Kredit auf, um die Gebühren zu begleichen, wächst ein Schuldenberg aus Bafög-Geldern, der Kreditsumme, aus Zins und Zinseszins. Je nach Gesamtschulden, Zinssatz und Tilgungsrate kann so ein Betrag von mehr als 20 000 Euro auflaufen. Nicht abschreckend? Abiturienten aus ärmeren Elternhäusern dürften das anders sehen. Grundsätzlich zeigt diese Rechnung zudem: Für jeden, der die Gebühren nicht sofort überweisen kann, ist das Studium letztlich viel teurer.

Kinderreiche Familien treffen Studiengebühren besonders hart – ein Problem, das in der Diskussion bislang fast unterging. Vielleicht wurde auch ich nur deswegen darauf aufmerksam, weil es mich betrifft. Meine drei Geschwister besuchen derzeit die gymnasiale Oberstufe. Wenn wir alle studieren, könnte das pro Semester über 2000 Euro „Studienbeiträge“ kosten. Die meisten Gebührenordnungen kennen jedenfalls keine Sozialklausel für solche Fälle.

Eines der größten Versprechen der Politik lautete: Es wird ein umfassendes Stipendiensystem aufgebaut nach dem Vorbild der USA. Bisher blieb es jedoch bei schönen Worten: Die Stipendien lassen auf sich warten. In den Vereinigten Staaten ist es ferner üblich, dass Eltern schon früh für ihre Kinder ein Sparkonto anlegen, um später das Studium finanzieren zu können. Ich kenne niemanden, dessen Eltern seit Jahren vorsorgen. Solche Hinweise werden oft mit dem Argument heruntergespielt, es seien ja hierzulande „nur“ 500 Euro pro Semester zu entrichten. Dass schon jetzt für jedes Semester eine Rückmeldegebühr von etwa 250 Euro fällig ist, wird verschwiegen. Pro Semester wären es also 750 Euro. Übrigens weiß jeder: Die Höhe wird der „Salamitaktik“ folgen – aus 750 Euro werden bald 800, 900 Euro und noch mehr.

Dabei bleibt zweifelhaft, ob sich durch die Einnahmen tatsächlich die Studienbedingungen verbessern. Die Gebührenordnungen geben zwar an, dass das Geld in die Lehre fließen sollen. Welche einzelnen Maßnahmen das beinhaltet, sagen sie jedoch nicht. Sind mehr Lehrkräfte nötig, neue Bücher oder PC-Plätze? Welches konkrete Ziel gibt es und wie wird man überprüfen, ob sich die Lage verbessert hat? Eine „Geld-zurück-Garantie“, wie sie das Land Nordrhein-Westfalen seinen Studenten zusicherte, erinnert deshalb eher an die Methoden eines windigen Automechanikers: Er stellt nicht fest, was kaputt ist. Über die Reparatur weiß man nichts. Und ob der Wagen wieder läuft, darf niemand überprüfen. Die Rechnung kommt trotzdem. Mit Leistungsgarantie, versteht sich.

In meinem Abiturjahrgang, es war 2002 in Berlin-Lichtenberg, gab es etliche Schüler, die kein Studium begannen. Meist drängten die Eltern auf eine Berufsausbildung – des Geldes wegen. Solche Entscheidungen werden zunehmen. Die Statistiken sind deutlich: Jedes Jahr verlassen in Deutschland mehr Abiturienten die Schulen. Die Zahl der Studienanfänger aber sinkt seit drei Jahren.

Die Autorin studiert Publizistik und Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Geschichte an der FU Berlin. Sie schreibt für die Studierendenzeitung „Unaufgefordert“ der HU.

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