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PORTRÄT MARY MCALEESE: "Wir sind in Europa zuhause"

Die irische Präsidentin Mary McAleese repräsentiert eine zuversichtliche, selbstbewusste Gesellschaft, die noch immer nach Wegen sucht, mit dem neu gewonnenen Wohlstand umzugehen.

Die irische Präsidentin Mary McAleese wird auf ihrem dreitägigen Staatsbesuch, der gestern begann, natürlich Berlin besuchen und Gespräche bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt führen – sie wird aber auch einen Abstecher nach Würzburg machen, wo der irische Mönch Kilian im 7. Jahrhundert die Franken bekehrt hatte.

Diese Betonung der uralten Bindungen Irlands an den Rest von Europa sind der 56-Jährigen ausgesprochen wichtig. Der Beitritt Irlands zur damaligen Europäischen Gemeinschaft sei die Wiedererweckung einer vormals vitalen Beziehung gewesen, sagte die einstige Rechtsprofessorin in einem Gespräch vor der Reise: „Es ist uns wohl als Europäer, da sind wir zu Hause.“ Dieses Bekenntnis wird in Kürze auf die Probe gestellt werden, wenn die Iren als vermutlich einziges EU-Land eine Volksabstimmung über den neuen Reform-Vertrag von Lissabon abhalten werden. Der Urnengang wird für Ende Mai oder Anfang Juni erwartet. Die Präsidentin allerdings kann sich dazu nicht äußern, die aktuelle Tagespolitik ist ihr verwehrt.

Als die gebürtige Belfasterin 1997 als Kandidatin der größten irischen Partei, Fianna Fáil, gewählt wurde, folgte sie auf Mary Robinson, die das bis dahin verstaubte Amt gewissermaßen neu erfunden hatte. Ihre Herkunft aus dem Norden als Teil der dortigen katholischen Minderheit prägt ihre Werte und erklärt vermutlich ihr etwas naives Verhältnis zum irischen Nationalismus und ihre Bindung an die katholische Kirche. Als Juristin hatte sie die Kirche 1984 sogar vertreten. Vor zwei Jahren wirbelte McAleese einigen Staub auf, als sie die Initianten des irischen Osteraufstandes von 1916 als progressive Kräfte lobte. Implizit rechtfertigte das Lob der Präsidentin nicht nur die damalige Gewalt, sondern verwandelte auch die IRA der 70erJahre in Patrioten.

Für das gegenwärtige Irland sind derartige Erwägungen inzwischen von untergeordneter Bedeutung. Die irische Präsidentin repräsentiert eine zuversichtliche, selbstbewusste Gesellschaft, die noch immer nach Wegen sucht, mit dem neu gewonnenen Wohlstand umzugehen. Die Nagelprobe dafür, dass Irland mit sich selbst ins Reine gekommen ist, lässt sich aus dem entspannten Verhältnis zur britischen Nachbarin ablesen: „Wir haben die besten Beziehungen seit 900 Jahren“, stellt McAleese befriedigt fest und bestätigt damit, dass Irland sich nicht mehr als Opfer der Geschichte versteht. Martin Alioth

Martin Alioth

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