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Meinung: Wo Glauben kaum gewinnt

„Kardinales Unverständnis“ vom 5. August Claudia Keller macht sehr treffende Aussagen.

„Kardinales Unverständnis“ vom 5. August

Claudia Keller macht sehr treffende Aussagen. Entwicklungen und notwendige Veränderungen sind dann erfolgreich und die Menschen zufrieden, wenn sie diese selbst gestalten dürfen. Subsidiarität heißt dieses katholische Prinzip. Reglementierung ist das Gegenteil. Es führt meist zu Erfolglosigkeit und Unzufriedenheit. Warum geht Kardinal Woelki diesen falschen Weg? Er entscheidet, ohne eine Diskussion zuzulassen, sieben Jahre im Voraus, etwas aus meiner Sicht Ungeheures. Er gibt die ihm anvertraute Diözese de facto auf.

Auch mich macht es sehr traurig, dass die katholische Kirche Gläubige verliert. Auch ich sehe, dass sich immer weniger junge Männer für das Priestertum entscheiden. Aber ich gebe meine Kirche deshalb nicht auf. „Ich glaube an die Neuevangelisierung Europas. Aber sie kann nur von unten kommen“, sagte der Prager Kardinal Vlk. Er sah schon da, damals noch Vorsitzender der Europäischen Bischofskonferenz, dass seine Amtskirche es wohl nicht schafft.

Als katholisches Fußvolk müssen wir jeden Tag etwas Wirksames dafür tun, dass die bekennenden Katholiken wieder zunehmen und eine Atmosphäre entsteht, die den schönen Beruf des Priesters anziehend macht. Kardinal Vlk erinnerte zu Recht daran, dass wir dies in unserer Taufe versprochen haben. Kardinal Woelki arbeitet offensichtlich nicht daran. Noch eine mich schockierende Feststellung aus nachlesbaren Zahlen zum Bistum Berlin: Weniger als 50 Prozent der geweihten Priester sind Gemeindepfarrer. Warum überzeugt Kardinal Woelki die anderen über 50 Prozent nicht von der Schönheit, Wichtigkeit und damit Priorität dieses Dienstes. Mein Leben jedenfalls wurde von eindrucksvollen Gemeindepriestern stark geprägt. „Höhere“ Amtsträger beeindruckten mich weniger. Mich erinnert dies alles an Beobachtungen, die ich in der Wirtschaft machte und die in allen Bereichen der Gesellschaft ähnlich sind: Führungskräfte, die keine Visionen mehr haben, keine anspruchsvollen Ziele sehen und schon gar nicht den Weg dorthin, so auch nicht in der Lage sind, Menschen mitzureißen, greifen zu Strukturveränderungen. Dann behaupten und versprechen sie, dass damit alles besser wird. Man kennt die Schlagworte „Fusionen“…“Synergieeffekte“ usw. „Wo Glauben Raum gewinnt“, nennt es Woelki. M.E. wäre „kaum“ statt „Raum“ treffender.

Wenn ein bekannter Fußballtrainer abgelöst wird, sagt die Führungsebene: „Er hat die Mannschaft nicht mehr erreicht.“ Manchmal geht das dann überraschend schnell. Auch ich hoffe auf unseren neuen Papst. Vieles, was er schon tat, hätte ihm unser Kardinal verboten, ohne Diskussion, versteht sich.

Dr. Jürgen Kiowski, Berlin-Karow

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