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Meinung: Wo ist Gott?: Die nächste Generation

Wer nach dem Sinn des Lebens sucht, hat ihn längst verloren", lautet ein chinesisches Sprichwort. Gilt Gleiches auch für die Frage nach Gott?

Wer nach dem Sinn des Lebens sucht, hat ihn längst verloren", lautet ein chinesisches Sprichwort. Gilt Gleiches auch für die Frage nach Gott?

Die Kirchen sind seit dem 11. September 2001 gefragter denn je, Religion und Werte geben den Menschen global und vor Ort Halt und Orientierung. Von der Politik wird wieder mehr erwartet. Fragen nach Lebensführung, Identität und Zusammenhalt haben Konjunktur. Die Familie wird plötzlich ebenso wichtig wie Arbeit und Geld. Wenn nicht wichtiger. Von einem Verlust der Werte und Bindungen kann keine Rede sein. Allein ihre Reproduktion scheint schwieriger geworden zu sein.

Der "Ernstfall der Moderne" ist der Verlust der Transzendenz und Ganzheitlichkeit. Den Kirchen geht es hier nicht anders als Gewerkschaften, Parteien und anderen Großorganisationen. Als Tendenzbetriebe mit einer umfassenden Inpflichtnahme und milieuspezifischen Verankerung erscheinen sie immer mehr Menschen als Bedrohung der eigenen Autonomie.

Lebenspolitik, die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Identität wird zu einem Problem persönlicher Entscheidungen. Der Triumph des Individualismus stellt religiöse wie säkulare Großorganisationen vor neue Herausforderungen. Die Suche nach dem guten Leben, nach persönlicher Freiheit und Wahlmöglichkeit, hat Isaiah Berlin als das fundamentale ethische Recht beschrieben. Die Einheiten der Gesellschaft - Familien, Unternehmen und andere soziale Organisationen - leben von Voraussetzungen, die sie selbst nicht hervorbringen können.

Offene Gesellschaften sind auf starke Gemeinschaften angewiesen. Weltweit und in unmittelbarer Nachbarschaft. Doch wie kommt ein im wissenschaftlichen Sinn nicht beweisbarer Glaube an Werte und Gemeinschaft zustande? Durch persönliche Erfahrungen, die das Selbstvertrauen in die Richtigkeit des eigenen Tuns geben.

Das zentrale Problem ist jedoch, dass die Erfahrung folgenreichen Engagements kaum noch stattfindet. Aus den gemeinschaftsbildenden Institutionen sind in diesem Land Orte organisierter Verantwortungslosigkeit geworden. Ihre Versprechen - Arbeit, Wohlstand und Urlaub für alle - sind ebenso leer wie ihre angeblichen Freiheiten. Nicht nur die Wirtschaft, auch die Menschen müssen wachsen. Menschen wollen nicht geschützt, sie wollen gestärkt werden (empowerment). Wo ist Gott? Dort, wo etwas in seinem Sinne unternommen wird.

Hallo, Mister Gott, hier spricht die Nächste Generation! Gib uns Deine Mailadresse, hier auf der realen Welt hat man Dich längst ausgelöscht und exkommuniziert. Wir wollen mit Dir über Werte sprechen. In der Schule und der Politik lässt man uns nicht. Die Zukunft hat gerade begonnen. Sie braucht uns. Es geht mal wieder ums Ganze.

Daniel Dettling

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