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Meinung: Wohnen mit Hartz

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Jeder hat ein Recht auf „angemessenen Wohnraum“. So steht es in der Berliner Verfassung, die aber nicht näher erklärt, was angemessen ist. In einer Stadt mit über 100000 leerstehenden Wohnungen spielte diese Frage in den vergangenen Jahren auch keine große Rolle mehr. Es gibt in Berlin keine Wohnungsnot und die Mieten sind niedrig. Nicht zu vergleichen mit dem, was man in Hamburg, München oder gar London und Paris für eine Wohnung in der City zahlen muss.

Erst Hartz IV hat den „angemessenen Wohnraum“ wieder zu einem Problem gemacht. Wer das Arbeitslosengeld II bezieht, kann ab Juli nicht mehr damit rechnen, dass der Staat die Wohnkosten übernimmt. Die Höhe der Miete, die Größe der Wohnung und die privaten Umstände werden dann zum Kriterium für die öffentliche Hilfe. Wer Pech hat,weil er in einer schönen Wohnung wohnte, die seiner Arbeitslosigkeit nicht entspricht, wird wohl ausziehen müssen. In Berlin könnte das 10000 bis 30000 Mieter treffen; das ist hart. Selbst in einer Stadt, in der es eine Art Volkssport ist, die Wohnung ständig zu wechseln.

Leider haben sich zwei Senatsmitglieder in das ernste Problem verhakt, die Vertreter der reinen Lehre sind: Finanzsenator Thilo Sarrazin und Sozialsenatorin Knake-Werner. Der eine sieht nur die Kosten, die andere will gut zu den Menschen sein. Das Geplänkel dauerte Wochen; es war vertane Zeit. Es konnte bisher nicht einmal geklärt werden, wie viele Arbeitslose voraussichtlich umziehen müssen. Bekannt ist nur: Berlin gibt jährlich 700 Millionen Euro für die Übernahme von Mietkosten aus. Ein Land in Haushaltsnotlage muss diese Form der Sozialhilfe natürlich unter Kontrolle behalten. Andererseits kann der eiserne Sparwille zu sozialen Folgekosten führen, die den Spareffekt zunichte machen. Wenn beispielsweise Kieze, die ohnehin schwierig sind, durch massenhafte Zwangsumzüge noch problematischer werden.

Man darf auch die Not nicht vergessen, in die etwa arbeitslose Eltern mit Kindern geraten können, wenn sie in eine schlechtere, kleinere Wohnung umziehen müssen. Andererseits ist es in Berlin nicht ungewöhnlich, dass sich alleinstehende, weitgehend mittellose Menschen an ihre große Altbauwohnung klammern. Der Senat muss deshalb eine Rechtsvorschrift beschließen, die nicht alle über einen Kamm schert. Und er muss dies schnell tun. Auch Arbeitslose haben ein Recht auf Lebensplanung.

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