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Meinung: Zaun mit Zähnen

Israels Sicherheitsbarriere folgt zu oft der Siedler-Ideologie

Wie baut man einen Zaun, ohne einen Zaun zu bauen? Ein großer Teil des Kabinetts von Ariel Scharon wollte, dass der Sicherheitszaun nördlich von Jerusalem weit in die besetzten Gebiete hineinragt, um Ariel, die zweitgrößte israelische Siedlung, mit einzubeziehen. Dagegen hatte sich die US-Regierung vehement gewehrt. Sie will die Kosten jedes umstrittenen Zaunstücks von amerikanischen Hilfsgeldern an Israel abziehen. Der Beschluss des israelischen Kabinetts ist nun von talmudischer Rafinesse: Der zu zwei Fünfteln fertiggestellte Zaun wird auf der Höhe von Ariel eine Lücke aufweisen. Die Siedlung soll einen eigenen kleinen Zaun erhalten. In acht Monaten will Scharon dann erneut mit der Bush-Regierung verhandeln, ob man beide Zäune nicht verbinden kann. Das Kalkül: In der heißen Wahlkampfphase wird es Bush schwer fallen, Druck auszuüben.

In Wahrheit geht es nicht nur um einige Kilometer Stacheldraht. Es geht um Ideologie: Die Rechten in Scharons Regierung finden sich nicht damit ab, dass Siedlungen wie Ariel keinen Bestand haben werden. Und dass es keinen Frieden geben wird, ohne den Palästinensern den größten Teil der besetzten Gebiete zu überlassen. Genauso wie die Palästinenser sich vormachen, sie könnten beides haben: Das Recht auf Rückkehr in israelisches Kernland und einen eigenen Staat. In den Realitäten des Nahen Ostens gedeihen immer noch die hartnäckigsten Träumer.

An sich ist der Sicherheitszaun ja eine gute Idee. Er zieht eine sichtbare Grenze, schützt israelische Bürger und macht das Druckmittel der Terrororganisationen, die Selbstmordattentate, weitgehend unwirksam. An vielen Stellen frisst sich die Barriere allerdings so weit in palästinensisches Gebiet hinein, dass aus dem schützenden Zaun ein kalt annektierender wird. Deshalb ist es richtig, dass die US-Regierung Israel zwingt, eine Rechnung aufzumachen: Was wollt ihr euch die Ideologie von Großisrael kosten lassen?

Es gehört es zu den bestgehüteten Geheimnissen der israelischen Politik, wie viel Geld in die Siedlungen fließt. Die israelische Tageszeitung „Haaretz“ rechnete vorsichtig mit mindestens einer halbe Milliarde Euro an zivilen Kosten pro Jahr. Von den Sicherheitsausgaben ganz zu schweigen.

Der Zaun wird deutlicher machen, was innerhalb und was außerhalb Israels liegt. Und die Israelis werden sich verstärkt die Frage stellen, ob sie ihren Wohlstand und das Leben ihrer in der Armee dienenden Kinder weiter aufs Spiel setzen wollen für jene messianischen Verrückten auf der anderen Seite der Grenze. Ein Zaun jedoch, der hunderttausende Palästinenser auf der israelischen Seite belässt, schafft keine Sicherheit für Israelis.

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