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Meinung: Zur Sicherheit Demokratie

Präsident Bush vergleicht die Reformen in Nahost mit der Überwindung des Kommunismus

Wohin soll die Reise gehen? Das fragten amerikanische Kommentatoren in den letzten Wochen immer öfter angesichts der wachsenden Zahl getöteter US-Soldaten im Irak. Jetzt hat George W. Bush in einer viel beachteten Rede eine Antwort gegeben: zur Demokratie. Im ganzen Nahen Osten.

Was Bush vor dem „National Endowment of Democracy“ ausgebreitet hat, ist eine grundsätzliche Wende. 60 Jahre lang hat der Westen, hat Amerika in der wichtigen Region auf Stabilität statt Reform gesetzt. Das Ergebnis war eine trügerische Ruhe, das Arrangieren mit den Despoten habe keine Sicherheit gebracht, sagt Bush. Weil „Stabilität auf lange Sicht nicht unter Missachtung der Freiheit erkauft werden kann“.

Bush räumte mit noch einer lieb gewonnenen Gewissheit auf. Über Jahrzehnte war der Westen noch jedem Despoten beigesprungen, der die Machtergreifung der Islamisten verhinderte. Nun sagt Bush: Der Islam sei sehr wohl mit den Prinzipien der Selbstregierung vereinbar, weil er individuelle moralische Verantwortung fordere und jeden Einzelnen zur Begegnung mit seinem Gott ermutige. Der Islam als natürlicher Verbündeter gegen Massenzwang und Kollektivierung.

Nach den vielen Toten der letzten Wochen war Bush in der Defensive. Deshalb stellt er den Irak in seiner programmatischen Nahost-Rede nun in einen größeren Zusammenhang – und verschiebt die Akzente. Bisher musste immer die Angst vor dem Satan Terrorismus herhalten, um das Irak-Abenteuer plausibel zu machen. Doch dieser raunende Ton der Untergangspropheten verfängt in den USA nicht mehr so zuverlässig wie noch vor Monaten. Deshalb bietet Bush nun eine positive Zukunftsvision an, die nicht allein ex negativo argumentiert. Die Demokratisierung des Nahen Ostens wird für ihn zum amerikanischen Projekt des 21. Jahrhunderts. Ganz so, wie die Überwindung des Kommunismus das Projekt des 20. war.

Es ist derselbe naiv wirkende Idealismus, aus dem heraus Ronald Reagan einst in Berlin rief: „Tear down that wall!“ Bush wird das wohl bald in einen Gegensatz zu wichtigen Verbündeten bringen. Er fordert Ägyptens Präsident Mubarak auf, zum Pionier der Demokratie in der arabischen Welt zu werden, so wie Sadat ein Pionier des Friedens war. Auch die Saudis sollen ihre Bürger stärker in die Willensbildung einbeziehen; allerdings kamen sie in Bushs Rede glimpflicher davon als Iran und Syrien.

Vieles, was Bush gesagt hat, kann man nur unterstreichen. Demokratisierung muss nicht gleich Verwestlichung bedeuten. Aber sein neuer Ansatz kollidiert mit den eingespielten Reflexen praktischer Politik in der Region. Zum Beispiel mit dem Mantra, dass Stabilität Vorrang habe. Und dass man es sich mit den mächtigen Scheichs am Golf nicht verscherzen dürfe. Bush muss erst noch beweisen, dass es ihm um einen großen Wurf geht – und nicht nur um eine Sonntagsrede zur Beruhigung der US-Bürger. Die nächste Gelegenheit, zwischen Wirtschaftsinteressen und neuen Prinzipien zu entscheiden, kommt schneller, als ihm lieb sein kann.

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