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In Bulgarien und Rumänien stehen die Roma als Minderheit häufig unter Druck.

© AFP

Zuwanderung: Ohne Ziel und Plan

Bitte kommt nicht: Deutschland kann auf die Zuwanderung aus der EU nur noch indirekt reagieren.

Die britische Regierung überlegt zurzeit, wie sie mit einer Anzeigenkampagne EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien vom Zuzug abhalten kann. Über die Slogans wird noch diskutiert. Würde man sich Ähnliches für Deutschland vorstellen, würden sie vielleicht so lauten: „Kommen Sie nicht zu uns! Unsere Sprache ist unverständlich, der öffentliche Verkehr eine Katastrophe, die Menschen sind unfreundlich und der Himmel ist zu grau!“

Vielleicht sind die Briten aber auch ganz froh, dass die Deutschen auf diesem Feld untätig bleiben. Deutschland hat inzwischen Großbritannien als beliebtestes Einwanderungsland der EU abgelöst. Viele der Zuwanderer sind Hochqualifizierte aus Spanien, Portugal oder Griechenland. Über deren Einwanderung wird gerne berichtet, denn es fehlen ja Fachkräfte. Doch mittlerweile gibt es zwei verschiedene Klassen von Zuwanderern. Vor allem Migranten aus Bulgarien und Rumänien bringen in vielen Fällen die hier gesuchten Qualifikationen gar nicht mit.

Darauf hat jetzt der Deutsche Städtetag hingewiesen. Die Kommunen seien mit der Einwanderung aus diesen beiden Ländern überfordert, heißt es in einem Positionspapier. 147 000 Menschen aus beiden Ländern kamen 2012 nach Deutschland. Der Städtetag warnt vor hohen finanziellen Belastungen, sollte sich Europas Wirtschaft nicht bald erholen.

Anders als in Großbritannien wird über diesen schwierigen Teil der europäischen Integration in Deutschland kaum diskutiert. Die Verdruckstheit mag damit zusammenhängen, dass viele der Zugezogenen Roma sind; sie kann ihre Ursache aber auch darin haben, dass man einfach nicht noch eine weitere Europadebatte haben möchte. Damit besteht aber die Gefahr, dass dieselben Fehler gemacht werden, die bereits in den 60er und 70er Jahren beim Zuzug von „Gastarbeitern“ gemacht wurden: Die Zuwanderung verläuft ohne Ziel und Plan, mit der stillen Hoffnung, dass die einmal Eingewanderten nach Monaten oder Jahren wieder in ihre Heimat zurückkehren.

Spätestens jetzt wird offensichtlich, dass sich auch Deutschland von der Entwicklung auf dem Rest des Kontinents nicht abkoppeln kann. Wer so etwas dachte, ging von falschen Voraussetzungen aus. Die deutsche Wirtschaft profitiert seit Jahren davon, dass sie Güter in die EU-Beitrittsländer exportiert. Eine von vielen Folgen dieser Entwicklung war der industrielle Abstieg anderer Staaten. Weil die EU ein einheitlicher Rechtsraum ist, verhalten sich Exporterfolge und Einwanderung nun wie kommunizierende Röhren: Es kommen Europäer zu uns, ob gut oder schlecht ausgebildet, die zu Hause keine Arbeit mehr finden können.

Ab 2014 fallen auch für Rumänen und Bulgaren die letzten rechtlichen Beschränkungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die deutsche Politik kann dann nur noch indirekt reagieren – indem sie Negativkampagnen fährt, oder indem sie Interesse daran zeigt, dass es auch im Süden und Osten Europas zumindest etwas Wachstum gibt.

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