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Meinung: Zuwanderungsgesetz: Ein Schwenk mit Hintersinn

Es gibt Momente, da macht das Politikerleben Spaß. Die Grünen genießen gerade solch einen Augenblick.

Es gibt Momente, da macht das Politikerleben Spaß. Die Grünen genießen gerade solch einen Augenblick. Da saßen ihre Spitzen bei Otto Schily, freuten sich über die doch noch geglückte Einigung über das Sicherheitspaket II, tranken ein Gläschen Wein - und bekamen zwei Briefumschläge überreicht. In den Couverts steckte, ergänzt durch mündliche Zusagen Schilys, der aktuelle Entwurf zum lang geplanten und heftig umstrittenen Zuwanderungsgesetz.

Verdutzt nimmt der kleinere Koalitionspartner zur Kenntnis, dass der größere nun all das tun will, was er lange für unmöglich erklärte. Nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung sollen zwar kein Asylgrund werden, aber doch zumindest ein Abschiebe-Hindernis. Beim Nachzugsalter von Kindern ist Schily den Grünen ebenfalls entgegengekommen. Und er hat Übergangsregelungen präsentiert, die verhindern sollen, dass in die Illegalität abgedrängt wird, wer bereits in Deutschland lebt, den neuen Kriterien für die Niederlassungserlaubnis aber nicht genügt.

Während die Grünen nun beste Einigungschancen sehen, brüskiert die Kehrtwende Schilys natürlich die Union. Wie radikal der Innenminister umgeschwenkt ist, lässt sich noch nicht genau sagen, denn klar ist nur, dass er den Grünen bei deren symbolträchtigen Kernforderungen entgegengekommen ist. Möglich bleibt, dass in Myriaden von Details weitere Verschärfungen der Zuzugsmöglichkeiten stecken, also das, was die Union unter dem Banner "Begrenzung" verlangt. Doch jenseits des Kleingedruckten hat Schily ein Signal gesetzt. Er will den Kompromiss mit den Grünen. Nicht den mit CDU und CSU.

Nun darf man getrost vermuten, dass sich hinter dem Schilyschen Schwenk weniger ein neues Ziel als vielmehr eine neue Strategie verbirgt. Kanzler Schröder hatte seinem Minister aufgetragen, einen bundesratstauglichen Kompromiss zu finden, einen, der die Zustimmung der Unionsländer finden kann. Der Preis, das hat sich während der vergangenen Monate gezeigt, war hoch: Streit in der Koalition. Inzwischen hat sich Schily als harter Sicherheitspolitiker genügend profiliert, und etwas Toleranz in der Ausländerpolitik schadet ihm nicht. Für die Regierung insgesamt gilt: Jetzt lieber die Koalitions-Ehe stärken und nachher, im Falle des Scheiterns des rotgrünen Entwurfes im Bundesrat, der Union die Schuld in die Schuhe schieben, als für einen unionstauglichen Entwurf erst den Krach mit den Grünen zu riskieren und hernach im Bundesrat dennoch das Risiko einer Niederlage einzugehen. Denn die Union wird sich nie auf ein Ja festlegen lassen. Wenn wegen hoher Arbeitslosigkeit und angespannter sicherheitspolitischer Großwetterlage das Thema Zuwanderung inopportun erscheint, lässt sich leicht irgendein Ablehnungs-Vorwand finden. Dem Kanzler ist der Koalitionsfrieden also derzeit wichtiger als ein All-Parteien-Konsens über die Zuwanderung. Oder: Die Grünen sind wichtiger als die Ausländer.

Schröder und Schily investieren politisches Kapital, dessen Verzinsung sie beim grünen Ja zum Fortgang des Krieges gegen den Terror einfordern werden. Die Freundlichkeits-Offerte gegenüber dem Koalitionspartner hat für die SPD-Führung den weiteren Vorteil, eine Partei zu stützen, die noch gebraucht wird. Sollte es in Berlin zu Rot-Rot kommen, sollte die FDP weiter der 18 entgegenwachsen, wären latente Existenzängste und das Gefühl, koalitionspolitisch vielleicht nicht jetzt, aber eben von 2002 an verschmäht zu werden, in den Führungskreisen der Grünen nicht mehr zu unterdrücken. Auch hier hat Schröder Schily ein Signal setzen lassen.

Machtpolitisch mag es also ein Zuckerl sein, das die Grünen verabreicht bekommen. Und inhaltlich? 40 Jahre nach der Unterschrift unter das Anwerbeabkommen mit der Türkei ist Deutschland auf dem Weg, einen Regierungsentwurf zur umfassenden Neujustierung des Umgangs dieser Gesellschaft mit ihren Nicht- und Neubürgern zu bekommen. Richtigerweise ist der zentrale Ansatz des nun wahrscheinlichen rot-grünen Konsenses nicht die Öffnung oder die Schließung dieser Republik, sondern die Festschreibung klarer, verbindlicher Kriterien. Das ist schon was. Nur bedeutet dies noch lange nicht, dass aus dem Entwurf jemals ein Gesetz wird.

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