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Meinung: Zwerg mit großem Schatten

Die FDP spielt bei der Bundespräsidentenwahl mit der eigenen Existenz

Ist das Spaß oder Ernst, wenn die Liberalen den nächsten Bundespräsidenten stellen wollen? Eigentlich sollte ja Schluss sein mit der FDP als Spaßpartei. Wohin dieses Konzept geführt hat, kann man seit der Bundestagswahl 2002 besichtigen: Die Partei steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Erst die unsäglich lange Qual mit Möllemann. Dann kauften Union und Gerhard Schröder der FDP den neoliberalen Schneid ab. Im Vermittlungsverfahren Ende des vergangenen Jahres spielten die Liberalen praktisch keine Rolle. Und dort, wo sie sich freiwillig zurückhielten, bei der Gesundheitsreform, ist ihnen ein Kampagnethema zugewachsen, dass sie jetzt, wo es darauf ankäme, Profil zu zeigen, nicht beherrschen.

Das Superwahljahr 2004 verspricht, alles noch schlimmer werden zu lassen. Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird die FDP in Kürze in Hamburg aus dem Parlament fliegen. Und wahrscheinlich wird Ole von Beusts CDU dennoch weiter regieren können. Womöglich allein. Oder, größtmöglicher Horror: gemeinsam mit den Grünen.

Damit es so nicht komme, hat Guido Westerwelle dem Anschein nach dann doch noch einmal final auf Spaß gesetzt. In maßgeblichen Kreisen der Union jedenfalls heißt es hinter vorgehaltener Hand, der FDP-Vorsitzende habe Angela Merkel unlängst einen ziemlich komischen Deal angeboten: Bringt uns in Hamburg über die Fünfprozenthürde, im Gegenzug wählen wir einen Unions-Kandidaten zum Bundespräsidenten.

Die CDU freilich konnte dem FDP-Chef keine großen Hoffnungen machen. Denn abgesehen davon, dass ein solcher Schacher die vollständige Herabwürdigung des obersten Staatsamtes der Bundesrepublik bedeuten würde, kann man ein solches Ansinnen auch unter wahltaktischen Gesichtspunkten nur lachhaft finden. Denn nach Lage der Dinge bleibt der Hamburger CDU gar nichts anderes übrig, als aufs Ganze zu gehen. Es liegt nun wirklich nicht an ihr, dem Wähler zu vermitteln, dass es eine Fortsetzung der bürgerlichen Stadtregierung nur geben wird, wenn die FDP den Wiedereinzug ins Parlament schafft.

Doch je schwächer die FDP tatsächlich wird, umso stärker macht sie sich. Gemessen an ihrer Größe, wirft sie einen ziemlich mächtigen Schatten. Aber wohl eher im Sinne von Karl Kraus: „Wo die Sonne der Weisheit am tiefsten steht, werfen selbst Zwerge große Schatten.“ Denn was würde nahezu zwangsläufig passieren, wenn das zunächst nur spielerisch gemeinte Nennen der Option, einen Liberalen zum Staatsoberhaupt zu wählen, allmählich zur Festlegung, zur Selbstfesselung gerät? Die Union wird sich darauf kaum einlassen können: Die Partei will einen eigenen Sieg. Und Angela Merkel braucht ihn ganz dringend. Sollte sie nämlich keinen eigenen Kandidaten durchbringen, dann wäre ihre in den vergangenen Monaten in den eigenen Reihen erworbene Statur der unangefochtenen Nummer eins wieder dahin; ihre Kanzlerkandidatur 2006 könnte sie dann fast schon abschreiben.

All das weiß Westerwelle ganz genau, und doch wird er darauf kaum Rücksicht nehmen wollen. Denn ihm geht es vor allem um seine eigene arg ramponierte Führungsautorität, die letal geschädigt wäre, sollten die Liberalen in der Bundesversammlung nicht halbwegs geschlossen abstimmen. Das aber ist mit Sicherheit nur bei einem eigenen Kandidaten gewährleistet.

Wahrscheinlich würde die FDP dabei auf eine Ampel-Mehrheit gegen die Union setzen müssen. Vielleicht gibt es dann am Ende tatsächlich einen liberalen Bundespräsidenten. Nur: Die FDP würde sich nicht mehr allzu lange daran erfreuen können. Denn wie der dann folgende Krieg im bürgerlichen Lager ausgehen würde, ist sonnenklar: Die FDP würde auf ihre knapp 2 Prozent Stammwähler zurückgeworfen, sie hätte sich zu Tode gesiegt.

„Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt“, so beschrieb Guido Westerwelle seine Rolle auf dem Höhepunkt der liberalen Spaßwelle. Da hat er zweifellos recht – nur nicht im Sinn gehabt, dass diese nautische Regel selbst für Schiffe kurz vor der Havarie gilt.

Peter Siebenmorgen

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