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Fahrbericht Nissan Qashqai 1.2: Lieber Eile mit Weile

Der Nissan Qashqai wurde in der ersten Generation für Nissan zum echten Kassenschlager. Jetzt traut man dem SUV sogar ein 1,2 Liter kleinen Benziner zu - und macht aus ihm ein All-inclusive-Auto.

Vor sieben Jahren ersetzte Nissan die glücklosen Kompaktwagen Almera und Tiida durch ein Auto, welches weder Geländewagen noch Kombi oder Hochdachlimousine war, von allem jedoch ein bisschen. Der Wagen war ein Wagnis, weil er in der populären Golf-Klasse in kein gängiges Raster passte. Aber: Über zwei Millionen Nissan Qashqai sind seit 2007 weltweit verkauft worden. Inzwischen hat der etwas andere Golf viele Nachahmer gefunden. Nissan konnte den Qashqai 2014 in der zweiten Generation zwar nicht neu erfinden, aber dennoch wieder Akzente in dieser Klasse setzen. Doch reichen die 115 PS des 1,2-Liter Basismotors aus, um das leer fast 1,4 Tonnen schwere SUV ordentlich zu bewegen?

Außen und Innen

Der Eindruck täuscht: Auch wenn die zweite Generation des Nissan Qashqai optisch viel wuchtiger daher kommt, so ist die Neuauflage nur zwei Zentimeter breiter, 4,7 Zentimeter länger, dafür aber 1,5 Zentimeter flacher geworden. Dennoch wuchs die Kopffreiheit auf Vorder- und Fondsitzen um jeweils einen Zentimeter. Im Inneren lässt sich feststellen, dass das Interieur mit scharfer Grafik und Sieben-Zoll-Berührungsbildschirm modern, die wertigen Kunststoffe wohnlich und die Bedienelemente aufgeräumt wirken.

Sitzen und Laden

Selten hat der Autor in einem SUV dieser Preisklasse so vorzüglich gesessen. Während der Entwicklungsphase hatten Nissans Sitz-Designer Zugang zu medizinischen Analysedaten der NASA über Drücke und Blutfluss im unteren Rücken von Testpersonen, die in die Gestaltung der Polsterung einflossen. Das merkt man.

Die mögliche Zuladung von 460 Kilogramm reicht für die meisten Transportfälle gerade so aus. Die Anhängelast ist mit 1200 Kilogramm jedoch vergleichsweise gering. Zudem ist die Ladekante mit 78 Zentimeter recht hoch ausgefallen. Dafür entschädigt ein schlaues Gepäckmanagement. Ein Griff genügt und der Rücksitz faltet sich zusammen. Die Gepäckraumabdeckung lässt sich anschließend sicher und geschützt im Unterboden verstauen. Der serienmäßige zweiteilige Zwischenboden kann zum Teil aufgestellt werden, um beispielsweise Einkaufstüten vor dem Verrutschen zu bewahren.

Fahren und Tanken

Das Japan-SUV ist im Grunde ein interessanter Gegenentwurf zum Zeitgeist des Schneller-Weiter-Sportlicher-Teurer. Dieses Crossover-Modell macht nicht auf Sport um jeden Komfort-Preis. Dennoch hat Nissan Qashqai Nummer zwei bei der Handlichkeit dank eines aufwendigen Fahrwerks einen Sprung nach vorn gemacht. Er fährt sich nun fast so locker wie ein Pkw.

Der Basismotor hingegen hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Der 1,2-Liter-Vierzylinder stammt von Renault und werkelt in mannigfaltigen Leistungs- und Drehmomentversionen auch in verschiedenen Modellen der Franzosen. In einem kurz zuvor getesteten Dacia Duster überzeugte dieses kleine Triebwerk auf ganzer Linie. Hier im Qashqai, wo der Vierzylinder zehn PS und 15 Newtonmeter schwächer ist, gibt er sich überraschend lethargisch. Im gegenüber dem Duster 100 Kilogramm schwereren Qashqai offenbart die 115-PS-Maschine zudem zwei Gesichter: Sehr sparsam im Teillastbereich, richtig durstig bei höheren Drehzahlen.

Wer sich zurück hält, kaum über Landstraßentempo 100 fährt, wird mit sehr guten Verbrauchswerten um die sechs Liter belohnt. Wer hingegen auf der Autobahn deutlich über 120 km/h fährt, muss mit Werten von über zehn Litern rechnen. Nein, ein Autobahn-Langstreckenauto ist der ansonsten sehr angenehm zu fahrende Qashqai mit diesem Basismotor nicht. Daher lieber Eile mit Weile. Man kommt halt etwas später an, aber dafür entspannt! Unser Tipp: Wer oft mit vier Personen und Gepäck fährt oder häufig lange Autobahnstrecken zurücklegen muss, sollte auf den angekündigten neuen 163-PS-Turbobenziner warten, der Ende des Jahres starten soll. Im Schnitt kamen wir auf der insgesamt 1700 Kilometer langen Testfahrt auf einen Praxisverbrauch von 7,1 Litern Super E10, 1,5 Liter über dem unrealistischen Normwert. Übrigens: Nachtfahrten sind hier im wahrsten Sinne des Wortes die helle Freude. Die serienmäßigen LED-Lampen schlagen eine taghelle Schneise in die Dunkelheit.

Hören und Sehen

Der neue Nissan Qashqai gehört zu den Leisetretern unter den SUV. Weil das Armaturenbrett für ein Auto dieser Art ungewöhnlich flach baut, hat man einen freien Blick nach vorn auf die geschwungene Motorhaube. Schräg nach hinten ist die Sicht wegen der dicken C-Säule allerdings recht dürftig. Doch das kompensiert die Rückfahrkamera mit den hilfreichen Einparklinien. Und wer will, kann das Auto automatisch längs einparken lassen, ebenfalls serienmäßig.

Wählen und Zahlen

Es gibt den All-inclusive-Urlaub - und es gibt in gewisser Weise auch das All-inclusive-Auto, wie Nissan mit der Tekna-Version des Qashqai beweist, die mit 27 450 Euro in der Preisliste steht. Da ist schon alles drin - zu einem Preis, den andere Anbieter als Dumping bezeichnen würden. Zum Vergleich: Ein ähnlich ausgestatteter VW Tiguan ist gut 9000 Euro teurer! Für konkurrenzlos günstige 650 Euro gibt es ein ganzes Paket an Fahrerassistenzsystemen, die bei anderen Herstellern ein Mehrfaches kosten: Bewegungserkennung, intelligenter Einparkassistent, Müdigkeitserkennung, Totwinkelwarner und Autonomer Notbrems-Assistent. Serie sind weiterhin ein riesiges Glas-Ausstelldach mit Jalousie, einfache Smartphone-Anbindung und schicke 19-Zoll-Räder. Wer sich mit weniger zufrieden geben kann, bekommt den Qashqai 1.2 DIG-T mit 115 PS in der Visia-Ausstattung schon für 19 940 Euro.

Gutes und Schlechtes

Nach unserem Praxistest über gut 1700 Kilometer steht fest: Nissan wird mit der zweiten Generation die Erfolgsgeschichte der ersten nicht nur fortschreiben, sondern ihre eine neue folgen lassen. Denn dieses schnittige SUV ist eine erfrischende Alternative zum langweiligen Golf. Harmonisches Fahrwerk und leiser, wenn auch schwacher Motor, passen zum entspannten Charakter.

Leider lässt einen Nissan keine Wahl bei der Wahl seines eigenen Modells. Lediglich für die Topversion Tekna sind die hilfreichen Fahrerassistenzsysteme lieferbar. Aber diese Topversion wird stets mit 19-Zoll-Rädern geliefert. Die sehen zwar toll aus, beeinträchtigen jedoch den Fahrkomfort auf schlechten Straßen nachhaltig. Abwählen kann man sie nicht. Warum eigentlich nicht?!

Stärken

Gute Ausstattung

Preis vs. Leistung

Viele Assistenzsysteme

Schwächen

Hölzernes Abrollen (19“)

Keine Automatik

Verbrauch bei Tempo

Die Konkurrenz

VW Tiguan

Ford Kuga

Kia Sportage

Technische Daten Nissan Qashqai 1.2
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,38/1,81/1,59 Meter
Leergewicht 1400 Kilogramm
Kofferraumvolumen 430 Liter
Maximale Zuladung 460 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 55 Liter
Motor Vierzylinder-Otto-Turbo-Motor, Benzin-Direkteinspritzung, zwei oben liegende Nockenwellen, Kettenantrieb, Start-Stopp
Hubraum 1197 Kubikzentimeter
Getriebe 6-Gang Schaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 85/115
Drehmoment 190 Newtonmeter bei 2000 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 10,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 185 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts / außerorts / kombiniert) 6,9/4,9/5,6 Liter
CO2-Emissionen/Effizienzklasse 129 g/km / B
Verbrauch im Test 7,1 Liter
Typklassen (KH/VK/TK) 14 / 21 / 19
Preis als Basisfahrzeug 27 450 Euro
Preis des Testwagens 29 950 Euro

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