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Urban Style: Die Fahrräder von True Unique haben alle ihren ganz eigenen Charakter - jedes Stück ein Unikat.

© true unique

Rad-Designer True Unique: Der Daniel Düsentrieb der Fahrradkunst

Die Neuköllner Fahrradgalerie True Unique steht für maßgefertigte Räder und auffälliges Design. Inhaber Manuel Dulz hat ein Faible für antike Rahmen und moderne Technik.

Die Restauration des Long John hatte sich Manuel Dulz anfangs leichter vorgestellt. Doch je weiter er das dänische Lastenrad in seine Einzelteile zerlegte, desto mehr schien es zwischen seinen Händen zu zerbröseln. Rostzerfressen sei der Rahmen gewesen – als hätte man ihn eben aus der Spree gefischt. Jede andere Werkstatt hätte das altmodische Lastenrad wahrscheinlich mit einem bedauernden Achselzucken dem Schrott übergeben. „Das Ding war eigentlich tot“, bestätigt ein Kollege von True Unique.

Verjüngungskur für ein Lastenrad

Aber Dulz – so viel wissen seine Freunde inzwischen – sieht nicht, was ist, sondern was daraus werden könnte. Der Neuköllner schwärmt für seltene und alte Räder. In letzter Zeit kommen sie oft  in einem beinahe hoffnungslosen Zustand in seine Werkstatt. Wenn sie die Pflügerstraße 18 wieder verlassen, sind sie kaum wieder zu erkennen. Bis auf das letzte Lager hat Dulz das Rad auseinandergenommen und mit fremden Teilen neu zusammengebaut. Indem er Triathlon-Gabeln auf Falträder oder Bäckerkörbe auf Kindersitzhalterungen transplantiert, schafft Dulz schon seit 2008 abenteuerliche Hybrid-Räder. Für den Neuköllner Shop True Unique endet die aufwändige Handarbeit zwar fast immer in einem schlechten Geschäft. Aber: „Solange dabei so coole Fahrräder rauskommen und die Kunden glücklich sind, ist es schwer, nein zu sagen“, erklärt Dulz. 

Die Restauration des Long John hatte sich Manuel Dulz von True Unique anfangs leichter vorgestellt. Doch Dult gab nicht auf und brachte das rostzerfressene dänische Lastenrad wieder zum Rollen.
Die Restauration des Long John hatte sich Manuel Dulz von True Unique anfangs leichter vorgestellt. Doch Dult gab nicht auf und brachte das rostzerfressene dänische Lastenrad wieder zum Rollen.

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Auch den Long John hat er mit Schweißen und Biegen wieder in Form gekriegt. Das neue Lastenrad rauscht jetzt auf den leichten Felgen eines BMX dahin und bremst mit den Luftdruck-Bremsen von Magura. So ein voll beladener Long John kommt schließlich ganz schön in Schwung. Chip-LEDs, die Dulz auf einen 3-Volt-Glühbirnenkorpus lötet, machen jetzt anstelle der alten Lampen Licht – oder, wie Dulz es ausdrückt: „Die machen ganz schön Alarm“. Die Elektronik hat Dulz mit Gummischläuchen überzogen, damit das Rad auch im Winter draußen stehen kann. 

Ein vollgestopfter Lagerraum zum Basteln

Manuel Dulz, 42 Jahre alt, gelernter Fahrzeugbauer ist so etwas wie der Daniel Düsentrieb der Fahrradwelt. Er möchte am liebsten Räder bauen mit USB-Buchsen im Lenker, Solarzellen am Schutzblech, eine Disko-Anlage am Rahmen, oder einem per Pedalkraft betriebenen Elektrogrill anstelle eines Fahrradkorbs vor dem Lenker. „Stell dir das mal im Görli vor!“, ruft er begeistert und tritt in imaginäre Pedale, während er sich den Duft von unsichtbaren Steaks zuwedelt. 

Manuel Dulz baut zu jedem Rad eine persönliche Beziehung auf - und gibt ihnen einen richtigen Namen. Dieses Fixie hier heißt Erik.
Manuel Dulz baut zu jedem Rad eine persönliche Beziehung auf - und gibt ihnen einen richtigen Namen. Dieses Fixie hier heißt Erik.

© true unique

Das Atelier teilt sich Dulz mit drei Mode-Designern. Sein Reich misst keine 30 Quadratmeter, plus ein vollgestopfter Lagerraum. Unter der Decke der Werkstatt hängen Räder mit der True-Unique-Gravur, ausgestellt wie Kunstwerke. Von Gestellen baumeln Rahmen, Gabeln, Felgen und Schutzbleche. Begraben unter zum Teil selbst gebasteltem Werkzeug, Eisenwaren, Gefäßen mit trüben Flüssigkeiten und undefinierbaren Gerätschaften, erahnt man die dunklen Holzoberflächen alter Möbel. Schon lange wolle er hier mal aufräumen, versichert Dulz. Er komme nur nicht dazu. Irgendwo in dieser suchbildartigen Kulisse dudelt ein Radio. Nachts kann sich Dulz hier stundenlang in das Lackieren von Felgen oder das Schleifen von Bremsgriffen vertiefen. 

Jedes Rad ein Unikat

Knallige Farbkombinationen machen ihm aber schon lange nicht mehr so viel Freude wie früher, seitdem das zum Kanon aller hippen Fahrradmarken gehört. Mittlerweile sieht er es so: „Wenn das Rad nichts Besonderes ist, hilft auch die Farbe nichts.“ Nur manchmal findet er es einfach „witzig“, Akzente zu setzen: eine weiße Kette, ein Lichtschlauch um den Fahrradkorb, extravagante Griffe aus Leder, oder mit fluoreszierendem Lack überzogene Speichen, die sich bei einer Fahrt im Dunkeln in eine leuchtenden Radscheibe verwandeln. 

Manuel Dulz (links) mit seinem True-Unique-Team. "Solange coole Fahrräder dabei rauskommen, ist es schwer, nein zu sagen", meint der 42-jährige Bastelfreak.
Manuel Dulz (links) mit seinem True-Unique-Team. "Solange coole Fahrräder dabei rauskommen, ist es schwer, nein zu sagen", meint der 42-jährige Bastelfreak.

© dpa

Mit eigenwilligen Details trifft True Unique regelmäßig einen Nerv bei den Hauptstädtern. Ständig fragen Leute, ob er ihnen nicht „genau so ein Fahrrad“ bauen könne. Das blau-rote Herkules-Fixie etwa hätte ein Bestseller werden können. Aber Ttrue-Unique-Bikes hätten diesen Namen nicht verdient, wenn Dulz sich ständig selbst kopieren würde. Lieber macht er sich immer wieder aufs Neue die Mühe, das Rad auf die Bedürfnisse und den (Fahr)Stil des Besitzers zuzuschneiden.

Form folgt Funktion – das hat sich Dulz von den Designern abgeguckt. Die Bezeichnung „Künstler“ oder „Fahrraddesigner“ hört Dulz trotzdem nur ungern, „wenn man nicht dazu sagt, dass die Räder auch technisch gut gemacht sind.“ Sein Ziel sei: „Man sollte das Gefühl haben, das Maximum zu bekommen, wenn man in die Pedale tritt.“

Was zählt ist die Verarbeitung

Kleine, wendige und auf das Wesentliche reduzierte Räder sind die Spezialität von True Unique. Die gebogene Sattelstütze wurde schnell zu einem Markenzeichen der Radschmiede, um die leichten, kompakten Rahmen auch für große Menschen passend zu machen. Wer ihm sein Rad anvertraut, sollte wissen, worauf er sich einlässt: „Ich lasse nicht viel übrig vom ursprünglichen Fahrrad“, macht Dulz deutlich. Mitunter brauchen seine Kunden viel Geduld: „Das Rad ist fertig, wenn mich nichts mehr daran stört.“ Bei Wartezeiten von manchmal mehreren Wochen, vielleicht sogar Monaten gehört schon viel Vertrauen dazu – und das Gefühl, dass es die Sache wert ist.

Gerade mal zwei fertige Räder verlassen jeden Monat die Werkstatt. Trotzdem kann sich Dulz nicht gerade über zu viel Freizeit beklagen: „Letzten Sommer musste ich viele Anfragen ablehnen.“ Zwar ist das True-Unique-Team stetig gewachsen. Ein Freund ersteigert günstige Teile bei ebay, ein anderer erledigt die Büro-Arbeiten, ein dritter zeigt besonderes Geschick im Umgang mit Felgen, und so weiter. Aber alle verdienen ihr Geld hauptsächlich woanders. True Unique werfe kaum genug ab, um die Leute anständig zu bezahlen, klagt Dulz – ihn eingeschlossen. Aber die Zahlungsbereitschaft der Kunden ist nun mal begrenzt. Bei einem Preis von 1.300 Euro ist die Schmerzgrenze der meisten erreicht und Dulz muss seinen Enthusiasmus bremsen. „Da macht man dann Kompromisse, die eigentlich schade sind“, bedauert er.

Dabei kann Dulz gut und gerne auf teure Markenware verzichten. „Es gibt kein Fahrrad mit einem Materialwert über 1.000 Euro“, ist der 42-Jährige überzeugt. Was zählt, ist die Verarbeitung. „Das ist wie bei einem Anzug: Der Stoff kann noch so fein sein, aber wenn der Anzug nicht sitzt, sieht's trotzdem doof aus“, meint Dulz.

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