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Das Spitzentrio: Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner.

© dpa/Michael Kappeler

Politik trifft Wirtschaft: Wie die Koalitionsspitzen nach Wachstum suchen

Der Kanzler redet mit den großen Unternehmen, der Finanzminister mit dem Mittelstand. Und der Wirtschaftsminister? Hat erst vorgelegt – und muss nun abwarten

Stand:

Olaf Scholz hatte in das Kanzleramt geladen. Die FDP-Fraktion spielte im Bundestag die Gastgeberin. Der Kanzler hatte mehr die großen Unternehmen im Blick. Die Freien Demokraten schauten stärker Richtung Mittelstand. Aber die Spitzen der Wirtschaft insgesamt konnten sich am Dienstag nicht beklagen, was die Aufmerksamkeit seitens der Regierung angeht.

Doch wo war der Wirtschaftsminister? Es gab keinen Termin mit Robert Habeck. Der designierte Kanzlerkandidat der Grünen aber hatte vorgelegt. Zwar ist die Idee des Deutschlandfonds, die er schon vorige Woche vorgetragen hat, nicht wirklich neu – die Grünen fordern einen Mega-Milliarden-Investitionstopf, seit Jahren.

Aber Habeck verband das nicht ungeschickt mit dem Vorschlag einer Investitionsprämie in Höhe von zehn Prozent für alle Unternehmen, von ganz groß bis hinunter ins Handwerk. Bei einer Laufzeit von fünf Jahren war das ein Angebot, das man eigentlich nicht ausschlagen kann. Zumal Habeck auf jede grün-ökologische Lenkungsabsicht verzichtete und tatsächlich ein Pauschalangebot unterbreitete.

Robert Habecks Prämie

Während Kanzler und Finanzminister noch mit der Wirtschaft parlierten und ausloteten, was den wohl geschehen müsse, um das Schiff wieder flott zu bekommen, hatte der Wirtschaftsminister schon mal ein potenziell breit wirkendes Wachstumsprogramm ins Schaufenster gestellt. Und es auch damit begründet, dass das Senken der Unternehmenssteuern auf breiter Front – ein FDP-Dauerbrenner – nicht garantieren könne, dass auch investiert werde.

Habeck schlug zudem vor, über den schuldenfinanzierten Fonds auch mehr staatliche Investitionen voranzubringen – ein zusätzlicher Schub für private Unternehmen. Wie Scholz und seine SPD zielt der Grünen-Politiker darauf, Druck auf Union und FDP aufzubauen, die bekanntlich kreditfinanzierte Staatsaktionen ablehnen – sie wollen die Schuldenbremse nicht oder allenfalls moderat lockern. Und dieser Druck soll auch über die Spitzen der Wirtschaft verstärkt werden.

Die ist da auch gar nicht so abgeneigt. Es war sicher kein Zufall, dass das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in den großen Wirtschaftstag hinein eine kleine Studie veröffentlichte. Der Tenor: Über mehr kreditfinanzierte staatliche Investitionen kann nicht nur die Infrastruktur verbessert werden, es wird auch das Wachstum angekurbelt – was wiederum zu höheren Steuereinnahmen führt.

Es gibt auch so etwas wie eine Regierungsverpflichtung.

Christian Lindner, FDP-Chef

Schon ein Investitionsplus von jährlich 15 Milliarden Euro beim Staat lasse das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent steigen, so die IW-Autoren. Macht dann bei 60 Milliarden Euro sogar 0,8 Prozent mehr Wachstum. Die Staatsschuldenquote Deutschlands, derzeit etwa 63 Prozent des BIP, würde dadurch um – je nach Volumen der Investitionen – 2,2 bis 8,9 Prozentpunkte steigen. Daraus ergebe sich „kein größeres Risiko für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“, schreibt das IW.

Die Steuermehreinnahmen bei 60 Milliarden mehr Staatsinvestitionen beziffert das Institut auf gut elf Milliarden Euro pro Jahr. Ein Teil der Investitionen wäre dadurch gedeckt. Was nicht in der Studie steht, aber hinzugedacht werden kann: Auch Anreize über Investitionsprämien für Unternehmen, wie Habeck sie vorschlägt, wirken so.

Gemeinsames Interesse

Das Wachstum anzukurbeln, müsste eigentlich das gemeinsame Interesse der Regierungsparteien sein. Das hat zwei simple Gründe. Zum einen hilft mehr Wachstum, den Etatstreit in der Koalition zu einem einigermaßen harmonischen Ende zu bringen. Mehr Wachstum im kommenden Jahr bedeutet eben auch mehr Steuereinnahmen.

FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer mahnt daher, für Mittelstand, Selbstständige und Industrie sei es jetzt wichtig, „dass die Koalition die Wachstumsinitiative umsetzt“. Die FDP wolle die Maßnahmen zur Entlastung, für mehr private Investitionen und Bürokratieabbau schnellstmöglich durch den Bundestag bringen. Leider aber werde der eigene Elan von den Grünen nicht geteilt. Möglicherweise, weil deren Elan wiederum von der FDP gebremst wird.

Ob das Umsetzen der bisherigen Wachstumsinitiative überhaupt genügt, ist allerdings die Frage. Denn die Koalition hat – das wurde mit der Steuerschätzung vorige Woche endgültig deutlich – deren Wirkung in der Etatplanung überschätzt. Sie fällt wohl um eine mittlere einstellige Milliardensumme geringer aus.

Mit Wirkung auf den Etat?

Was nun zum Beispiel bedeuten könnte, dass der Inflationsausgleich bei der Einkommensteuer, mit dem vor allem die FDP einen Nachfrageschub verbindet, nicht im bisherigen Umfang kommen kann – weil er nicht bezahlbar ist. SPD und Grüne sind ohnehin der Meinung, dass die Entlastung bei höheren Einkommen keinen größeren Wachstumsimpuls ergibt. Da wird es bis zum 14. November noch Diskussionen geben. Das ist das nächste Zieldatum, weil für diesen Tag die Abschlusssitzung im Haushaltsausschuss des Bundestags anberaumt ist.

Der zweite simple Grund für mehr Wachstumspolitik wäre, dass eine besser laufende Wirtschaft auch die Wahlchancen von SPD, Grünen und FDP verbessern würde. Denn sie hebt die Stimmung in der Bevölkerung. Da setzt der Kanzler nun offenbar darauf, harte Fakten durch Psychologie zu ersetzen (oder zu ergänzen, je nachdem, was noch kommt an Ideen). Das erklärt auch den Gipfel mit den Wirtschaftsspitzen im Kanzleramt.

Beim Arbeitgebertag in der Vorwoche hatte Scholz gesagt: „Wir müssen gemeinsam rauskommen aus dieser unguten Lage, in der schlechte Zahlen zu schlechter Stimmung führen – und schlechte Stimmung zu noch mehr schlechten Zahlen.“ Da darf man gespannt sein, was die Ergebnisse des Treffens mit den Managern und Managerinnen aus der Wirtschaft am Dienstag sein werden.

Die Öffentlichkeit muss allerdings noch ein Weilchen warten. Verabredungsgemäß sollte nach dem auf drei Stunden anberaumten Gespräch am Dienstag zunächst nichts vermeldet werden. Ach ja: Auch nach dem Paralleltreffen in der FDP-Fraktion verlautete wenig Konkretes. Der Fraktionschef der Liberalen Christian Dürr sprach von notwendigen „Richtungsentscheidungen“.

Lindner selbst sagte: „Es gibt auch so etwas wie eine Regierungsverpflichtung, und für Deutschland ist es allemal besser, wenn eine Regierung eine gemeinsame Richtung findet, sie beschreibt und umsetzt.“

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