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Politik: … die Kommission übernimmt

Wollen Deutsche einen Bahnhof stürmen, dann lösen sie zuvor eine Bahnsteigkarte – das wissen wir seit Lenin. Möglicherweise rührt die aktuelle Lähmung der Deutschen also daher, dass die Bahnsteigkarte abgeschafft wurde.

Wollen Deutsche einen Bahnhof stürmen, dann lösen sie zuvor eine Bahnsteigkarte – das wissen wir seit Lenin. Möglicherweise rührt die aktuelle Lähmung der Deutschen also daher, dass die Bahnsteigkarte abgeschafft wurde. Nun stehen sie vor der Tür, wollen etwas tun, fürchten aber, dass irgendein Offizieller sich ihnen in den Weg wirft. Was tun? Lenin hat es nicht wissen können, wir wissen es nun: Die Deutschen gründen eine Kommission. Die Kommission ist gewissermaßen die Adhoc-Version des Vereins, der sich langfristigen Zielen wie der Rammlerzucht oder dem Stippfischen auf Brachse und Rotfeder widmet. Es wäre also durchaus denkbar, ja geradezu wünschenswert, einen Verein zur Förderung des deutschen Fußball- Nationaltrainers zu gründen, der seine Arbeit darauf konzentrieren müsste, Katastrophen wie das gegenwärtige Interrudium zu verhindern. Doch nun ist es da. Eine Trainer-Suchkommission hat soeben ihre Arbeit aufgenommen. Aber wer lenkt ihre Geschicke?

Man wird zunächst sagen dürfen: Die Ein-Mann-Kommission in Gestalt von Gerhard Mayer-Vorfelder hat sich nicht bewährt. Zwei Mitglieder neigen zum Mauscheln, drei zu faulen Kompromissen, vier dürfen als Minimalbesetzung gelten, freilich mit dem Nachteil, dass ein lähmendes Patt ihre Arbeit zunichte machen kann. Da sich der DFB dennoch zu einer Viererlösung entschlossen hat, müssen wir also damit rechnen, dass beispielsweise zwei Mitglieder für Arsène Wenger und zwei für Otto Rehhagel votieren, womit dann wieder einmal gar nichts passierte. Wir kennen dieses Krankheitsbild der Kommissionslähmung von der Hartz- und der Rechtschreib-Kommission; zum Glück bietet der Fußball spezifische Lösungsvarianten. Nach ergebnislosem Ablauf der regulären Sitzungszeit gibt es eine Verlängerung, notfalls könnte die Entscheidung auch im Wege des Elfmeterschießens getroffen werden, mit Vorteil für Beckenbauer. Auch das Prinzip des Golden Goal klingt erfolgversprechend: Wer in der Nachsitzzeit als erster einen vernünftigen Vorschlag macht, der hat gewonnen. Hilft alles nichts, kann sich die Kommission nur noch am eigenen Schopf aus dem Schlamm ziehen. Die Mitglieder werden so lange eingesperrt, bis weißer Rauch aus dem Schornstein quillt und das Land wissen lässt: Habemus Trainerum! Das klingt stark nach Papstwahl. Aber wenn ein Gott wie Otto zur Debatte steht, ist das nicht unangemessen. bm

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