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Politik: … die Nackten nicht allein sind

Es gab in dieser Woche zwei sehr schöne Fotomotive, die blöderweise im Detail recht schwer zu beschreiben sind. Bei beiden handelt es sich im weitesten Sinne um Massenszenen, die eine spielt in Mexiko, die andere in Taiwan.

Es gab in dieser Woche zwei sehr schöne Fotomotive, die blöderweise im Detail recht schwer zu beschreiben sind. Bei beiden handelt es sich im weitesten Sinne um Massenszenen, die eine spielt in Mexiko, die andere in Taiwan.

In Mexiko hat es der Provokationskünstler Spencer Tunick geschafft, dass sich auf einem Platz in der Hauptstadt Mexiko-City 20 000 Menschen – alle nackt! – für eine Fotosession versammelten. (Kleiner Einschub: Ein Bild davon findet sich im Internet verbunden mit einer Umfrage . Wer aber jetzt mit dem Gedanken zum Computer stürzt: „Boah ey, tausend nackte Weiber“, der wird womöglich enttäuscht sein, Tunick ging es bei seinem weitwinkligen Ansatz nämlich eher um die Ästhetik des komplexen Gesamtzusammenhangs.)

Aus Taiwan erreichen uns Bilder, auf denen die Ästhetik des komplexen Gesamtzusammenhangs mutmaßlich weit spontaner zustande gekommen ist. Man sieht knapp 60 sich prügelnde taiwanesische Parlamentarier, natürlich nicht nackt, sehr viele davon in einer modisch schwer grenzwertig zu nennenden Kombination aus weißem Halbarmhemd und grauer Weste, was dem Ganzen aber auch noch im größten Tohuwabohu just jenen Eindruck von Uniformität verleiht, den Tunick nur durch das Weglassen jeglicher Kleidungsstücke erreichen konnte. Wie gesagt: Wahnsinnig schwer zu beschreiben, man guckt es sich besser selbst an, auch dieses Bild findet sich im Internet unter www.tagesspiegel.de/themen .

Der politische Hintergrund des taiwanesischen Fotos ist auch nicht ohne. Sehr kurz gefasst geht es angeblich um den Versuch von Abgeordneten der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) den Parlamentarier Wan Jin-Pyng am Reden zu hindern, weil der damit die Verabschiedung des Haushalts verzögern wollte, um eine Wahlrechtsreform durchzusetzen. Na gut. Wan Jin-Pyng war bis Redaktionsschluss leider nicht erreichbar, um zu überprüfen, ob das so stimmt – und auch, um zu erklären, wo auf dem Foto er sich denn nun genau befindet; mutmaßlich dort, wo alle am dichtesten zusammenknäulen, dann wäre er nämlich gar nicht zu sehen. Schade!

Was aber, wenn beide Motive miteinander in Zusammenhang stünden? Wenn die Taiwanesen, von Tunicks Motiven inspiriert, vor Beginn der Sitzung zu sich gesagt hätten: Das können wir auch!? Und wenn sie dann anschließend das Bild nur „gestellt“ hätten, um auf ihre politische Situation aufmerksam zu machen, oder so? Kunst wäre dann Politik und Politik wäre Kunst und die einzig noch offene Frage wäre, wo ist die Komplexität denn nun ästhetischer dargestellt? Wenn Sie bitte doch mal schauen wollen. Vbn

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