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Politik: 100 Tage Kuscheln

Die schwarz-rote Regierung in Sachsen-Anhalt zieht eine erste Bilanz – und genießt die Harmonie

Von Matthias Schlegel

Die Koalitionspartner waren voll des Lobes – über sich selbst. Als Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) gemeinsam mit seinem Kabinett am Donnerstag in Magdeburg die 100-Tage-Bilanz der schwarz-roten Landesregierung zog, würdigten die Minister und ihr Chef vor allem ihr sachliches Arbeitsklima.

In der Tat, ein bemerkenswerter Fakt. Denn mit CDU und SPD hatten sich nach der Landtagswahl im März dieses Jahres zwei Parteien aufeinander zubewegt, die über anderthalb Jahrzehnte hinweg in Sachsen-Anhalt wie Feuer und Wasser waren. Nachdem die SPD 1994 das bundesweit umstrittene „Magdeburger Modell“ – eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der PDS – einem Zusammengehen mit der CDU vorgezogen hatte, war die bis dahin gepflegte Abneigung zwischen Rot und Schwarz einer unverhohlenen Feindschaft gewichen. Mit Böhmer und seinem SPD-Herausforderer Jens Bullerjahn begegneten sich dann im Wahlkampf 2006 zwei Pragmatiker, die von zähen politischen Experimenten die Nase voll hatten.

Für CDU und FDP reichten die Stimmen nicht mehr. Aber das Land mit der höchsten Pro- Kopf-Verschuldung in Deutschland brauchte Mehrheiten, die sich beim nötigen Kurs auf die Haushaltskonsolidierung nicht in ideologischen Streitgesprächen verkämpfen würden. Darüber schienen sich der Realist Böhmer und der Reformer Bullerjahn, der mit seiner SPD bei der Wahl nur den dritten Platz hinter der PDS belegt hatte, schnell einig zu sein.

Zwar kommen die harten Einsparbrocken erst noch. Aber mit der für 2007 veranschlagten Neuverschuldung von „nur“ 550 Millionen Euro wurde schon mal ein erstes Zeichen gesetzt: Es ist die niedrigste in der Geschichte des Landes seit 1990. Von 2010 an will Sachsen-Anhalt keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Die Rollen sind gut verteilt: Der sozialdemokratische Finanzminister und Junior Bullerjahn (44) muss die unpopulären Einschnitte vorbereiten und begründen, die christdemokratische Vaterfigur Böhmer (70) hat dafür dann den Kopf hinzuhalten.

Bei der eingeleiteten Kürzung der Kommunalfinanzen hat das schon geklappt – der Widerstand im Land hielt sich in Grenzen. Im Gegenzug will die Landesregierung den Kommunen „erleichtern, mit weniger Geld auszukommen“, wie es Böhmer salomonisch ausdrückt. So soll etwa das alte DDR-Prinzip der kostenfreien Nutzung von Sportanlagen gekippt werden. Und es werden Einheitsgemeinden geschaffen, die als größere Verwaltungsgebilde in der Lage sein sollen, „ihre kommunale Daseinsvorsorge zu leisten“.

Auch die Förderpolitik soll auf den Prüfstand gestellt werden. Man will sich künftig nicht nur auf die Gewinnung neuer Investoren fixieren, sondern stärker die heimischen Betriebe fördern – vorrangig gemessen am zu erwartenden Zuwachs an Arbeitsplätzen. Und mit der Einführung des „Modellprojekts Bürgerarbeit“ soll Arbeitslosen, die derzeit auf dem ersten Arbeitsmarkt so gut wie chancenlos sind, eine Perspektive gegeben werden.

Beim Sparen wollen die Magdeburger durchaus von anderen Bundesländern lernen. Für den Herbst wird eigens dazu ein Strategiegipfel einberufen. Was Finanzressortchef Bullerjahn aber gar nicht hören mag, sind die „ewigen Vorwürfe“ wegen der nicht sachgerechten Verwendung der Solidarpaktmittel. „Wir haben das Geld doch nicht gebunkert oder in die Elbe geschmissen“, sagt er. Es müsse damit Schluss sein, immer wieder alte Fehler aufzuwärmen. Alle neuen Länder wollten doch ihre Schulden möglichst schnell in den Griff bekommen.

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