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Politik: "120 000 Roma und Aschkali aus dem Kosovo gejagt"

Gesellschaft für bedrohte Völker erhebt Vorwürfe gegen AlbanerReimar Paul Albanische Nationalisten haben in den vergangenen Monaten rund 120 000 Roma und Aschkali aus dem Kosovo vertrieben. Das entspricht etwa 80 Prozent der Angehörigen beider Bevölkerungsgruppen.

Gesellschaft für bedrohte Völker erhebt Vorwürfe gegen AlbanerReimar Paul

Albanische Nationalisten haben in den vergangenen Monaten rund 120 000 Roma und Aschkali aus dem Kosovo vertrieben. Das entspricht etwa 80 Prozent der Angehörigen beider Bevölkerungsgruppen. Diese Zahlen nannte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Sonntag auf einem Kongress vertriebener Roma und Aschkali in Göttingen. Sie wollten einen Exil-Dachverband gründen und einen Forderungskatalog an die KFOR-Truppen im Kosovo und die Innenminister der deutschen Bundesländer verabschieden.

Zum Auftakt der Konferenz in der Göttinger Universität legte die Gesellschaft für bedrohte Völker eine aktuelle Bilanz über das Ausmaß der Verfolgung von Roma und Aschkali vor. Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation hatten in den vergangenen Wochen die meisten der ursprünglich rund 300 Roma-Siedlungen besucht und Vertriebene befragt. "Unter den Augen der KFOR wurden 75 dieser Orte und Stadtteile völlig zerstört", sagte der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch. Rund 14 000 von 20 000 Häusern lägen "in Schutt und Asche".

Nach Schätzungen der Menschenrechtler lebten noch vor einem Jahr etwa 87 000 Aschkali und 63 000 Roma im Kosovo. Die Aschkali sprechen nicht Romanes, sondern Albanisch als Muttersprache und berufen sich teilweise auf ihre "ägyptische" Abstammung. Beide Minderheiten seien "weitgehend integriert" gewesen, hätten als Bergleute, Händler und in der Industrie gearbeitet und sich einen "bescheidenen Wohlstand" erwirtschaftet, sagte Zülch.

Dem GfbV-Bericht zufolge begann die systematische Verfolgung von Roma und Aschkali sowie der verbliebenen Serben nach dem Ende der Nato-Intervention. Aufgehetzte Albaner hätten die Siedlungen der Minderheiten angegriffen und "gesäubert". Fast alle Häuser seien vor der Zerstörung geplündert, Einrichtungsgegenstände, Fernseh- und Videogeräte und Autos gestohlen worden.

Die Massenvertreibungen waren nach Recherchen der Menschenrechtler von Drohungen sowie in einzelnen Fällen auch von Entführungen mit anschließender Folter, von Vergewaltigungen und Morden begleitet. "Vielfach sind Menschen verschwunden oder gelten als vermisst", sagte Zülch. In einem Fall sei ein behinderter Roma in seinem Haus verbrannt worden. Bei der Flucht über die Adria kamen den Angaben zufolge mindestens 100 Roma und Aschkali ums Leben. Alte, Kranke, Säuglinge und Behinderte starben in den Nachbarländern "an den Folgen der Flucht und den Lagerbedingungen". 40 000 Roma flüchteten nach Serbien, ebenso viele nach Westeuropa.

Große Teile der UCK und der kosovo-albanischen Bevölkerung heiße die Verfolgungen gut und rechtfertige sie mit der angeblichen Beteiligung von Roma und Aschkali an Übergriffen von Serben, heißt es in der GfbV-Dokumentation. Lediglich in Einzelfällen hätten sich albanische Nachbarn für die bedrohten Minderheiten eingesetzt. Kosovo-albanische Parteien, Organisationen und Intellektuelle seien nicht gegen die Massenvertreibungen und "ethnischen Säuberungen" aufgestanden. Heftige Vorwürfe erhob die GfbV auch gegen die KFOR. Ihre Truppen hätten Minderheiten im Kosovo nur "unzureichend geschützt.

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